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89. Der kluge Richter
Brillenschlange und die — zwar nicht giftige — aber 9
bis 10 lange und mannsdicke Riesenschlange. Affen und
die mit dem herrlichsten Gefieder geschmückten Vögel, unter
denen der Pfau und der Paradiesvogel die schönsten sind,
haben ihre Wohnungen in den Gipfeln der Bäume genom—
men und erfüllen die Luft mit dem seltsamsten Geschrei.
In den Wüsten ist alles öde und tot; nur der Strauß und
einzelne Tiger und Löwen durchstreifen dieselben, und wo
Wede hindürchgehen, erblickt man von Zeit zu Zeit Kara—
wanenzuge mit Kamelen; die Steppen werden nur zur Zeit
des Frühlings und während des Pflanzenwuchses von Tieren
belebt. Da erblickt man auf den Hochflächen wilde Esel,
mutiger und größer als unsere zahmen, unter schnellfüßigen
Gazellen und starken Büffeln. In den wilden Hochgebirgen
lebt das Moschustier, das nirgend sonst auf der Erde ge—
funden wird.
Asien ist die Wiege des Menschengeschlechts. Von hier
aus ist Europa bevölkert worden, von hier die Bildung
durch Religion, Wissenschaft und Kunst ausgegangen. Hier
ist der Ursprung der drei Hauptreligionen: der jüdischen,
christlichen und muhamedanischen. Hier wurden die ältesten
wichtigften Erfindungen gemacht: Schreibekunst, Glas-
Papierfabrikation ꝛc. Hier bestanden einst die ältesten be—
rühmtesten Reiche. Aber die Pracht und Herrlichkeit alter
Zeiten ist längst verfallen, und nur Trümmer sind dãdon
übrig geblieben. (Aus dem Lesebuo von Niedergesuß.)
89. Der kluge Richter.
Ein Kaufmann wollte in ein fremdes Land reisen und übergab
einem Derwisch, den er für seinen Freund hielt, einen Beutel mit
tausend Zechinen mit der Bitte, ihm dieses Geld während seiner
Abwesenheik zu bewahren. Nach einem Jahr kam der Kaufmann
wieder und verlangte sein Geld zurück; der betrügliche Derwisch
aber leugnete ihm ins Angesicht und behauptete, nichts empfangen
zu haben. Der Kaufmann geriet über diese Treulosigkeit in
heftigen Zorn und ging zum Kadi, den Derwisch zu verklagen.
Du bist mehr redlich als klug gewesen,“ antwortets der Richter.
Du hättest einem Manne, dessen Treue du nicht kanntest,
nicht so blindlings trauen sollen. Es wird schwer halten, diesen
listigen Betrüger zu bewegen, ein Unterpfand, das er ohne Zeugen
empfangen hat, fteiwillig wieder heraus zu geben; doch will ich
sehen, was ich für dich thun kann. Geh nöch einmal zu ihm,