Full text: Viertes, fünftes und sechstes Schuljahr (Teil 2)

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Tage von einem Lohndiener herausgefahren in den schönen Kurgarten 
mitten unter die Menschen hinein, die der Bademusik zuhörten. Jeder 
hatte mehr oder minder einen Freund oder Weib und Kind, das ihn 
begleitete, nur er war allein. Über den blassen Zügen lag tiefes Leid, 
und er fühlte sich doppelt einsam. Da blieb ein Herr in geringer 
Entfernung vor ihm stehen und schaute ihn lange an. Der Gelähmte 
schlug die Augen nach ihm auf. Der fremde Herr kam auf ihn zu 
und sagte: „Entschuldigen Sie, wenn ich mich vielleicht irre, aber 
sind Sie nicht der Herr — der mir einst so freundlich die Fahrkarte 
zurückerstattete?“ Da tauchte auch in dem blassen Kranken die 
Erinnerung auf, und er antwortete: „Ja, der bin ich.“ 
4. Was sie nun miteinander verhandelt, mag sich der geneigte 
Leser denken. Aber wer tags darauf und die folgenden Wochen in 
Teplitz war, sah, wie ein vornehm gekleideter Herr einen Kranken 
täglich ins Bad fuhr, ihm dort hineinhalf und ihn aus- und anzog, 
als wäre er sein nächster Blutsverwandter. Das Bad schlug an, und 
nach fünf Wochen konnte der Lahme schon am Arme des Freundes 
gehen. Der brachte ihn noch nach Hause. Ihn hatte nicht bloß das 
»Bad, sondern die Liebe zugleich gesund gemacht. Das alles hatte er 
der kleinen Mühe zu danken, eine verlorene Eisenbahnkarte einzukas¬ 
sieren. Die Mühe hatte ihm reiche Zinsen getragen. 
Emil Frommei. 
31. Eine Hand wäscht die andre, 
sagt man wohl, wenn ein Schelm dem andern durchhilft, und mancher 
ehrliche Mensch sagt's einem andern, dem er einen kleinen Gefallen 
getan hat. — Pfui, so meint’s das Sprichwort nicht! Denk einmal 
nach! Wenn ihr euch die Hände waschet, so wird, wenn ihr auch die 
eine nach allen Ecken im Wasser herumschlenkert, sie dennoch nicht 
rein; die andre muß wischen und waschen, streichen und kneten helfen, 
dann geht's. Was lehrt euch das? — Nun, einer, der allein steht 
ohne den treuen Beistand seiner Nachbarn und Freunde, bringt nichts 
fertig. Wenn aber diese sagen: „Wart, Nachbar, ich komme und helfe!“ 
dann wäscht eine Hand die andre. Wenn nun aber der Nachbar deiner 
Hilfe bedarf? Ei nun, dann muß wieder deine Hand der seinen waschen 
helfen, und es geht rein und herrlich ab. Verstanden? Der liebe 
Gott will, daß wir einander unterstützen und einander helfen und 
dienen sollen mit der Gabe, die wir empfangen haben. So soll eine 
Hand die andre waschen. TV. O. v. Horn. (Wilhelm örteL)
	        
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