24. Italiens Natur.
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A. Italiens Natur.
Kaum findet sich eine ähnliche Mannigfaltigkeit schöner
Natur zum zweitenmale auf der Welt so vereinigt wie in
Italien. Maͤchen wir einen kleinen Streifzug durch Flur
und Wald, um uns davon zu überzeugen! Der Morgen
blitzt so frisch und duftig durch die Waldkühle; die neckischen
Eidechsen mit ihren klugen Augen schlüpfen über den Weg
oder sonnen sich auf altem Steingetrümmer; bunte Schlangen
rascheln im vörjährigen Laubfall der immergrünen Eichen.
Die Kastanien blühen, und ihr würziger Duft mischt sich
mit dem des blühenden Weinstocks und all der wildwach——
senden Blumen uͤnd blühenden Gesträuche. Dazwischen
schmettern jubelnde Nachtigallen. Die Luft ist so still, daß
daͤs Rauschen des fernen Baches herüberdringt, der in
schneeweiß schäumenden Wasserfällen von Klippe zu Klippe
herabtost. Naht der Abend, so enthüllen sich neue Herrlich—
keltken. Immer dunkler, kälter, blauer werden im Thale die
Schatten auf den Wassern und an den untern Bergwäldern.
Es ist, als sehe man durch Flor oder dunkelgefärbtes Glas
die Gegenstände. Von nah und fern schallt das Avemaria—
geläute. Des Mondes helle Scheibe blickt mit mildem
Goldglanze durch die Baumwipfel. Die Quellen plätschern,
Kühlung hauchend, durch die Nachtstille. Der schrillende
Gesang der Cicade ist verstummt. Millionen von Leucht—
käferchen durchirren Busch und Strauch und Bäume.
Südlich von Rom (etwa am Ende der pontinischen
Sümpfe) treten wir in das Reich der eigentlichen Südfrüchte.
Der Hiuimel erscheint hier monatelang ununterbrochen wolken⸗
los uld so blau und noch blauer als bei uns in den schönsten
Frühl. agstagen, wenn die Dünste, die immer über der
deutf. jen Erde schweben, zu weißen Wolken zusammenge—
sloss, Asind. Die Luft ist so rein, daß meilenweit entfernte
Dörfer ganz nahe erscheinen. Bei Tage sieht man Sterne;
in der Nacht hebt sich das Gebüsch und jeder andere dunkle
Gegenstand unglaublich scharf in der Ländschaft ab; beim
bloßen Scheine der schinalen Mondsichel werfen die Körper
scharfe Schatten, und die Sterne, die in ungleich größerer
Zouͤhl und Pracht als bei uns erscheinen, geben fast Licht
Fenug, um lesen zu können. Über Himmel, Erde und Meer
ijt den Tag über eine Heiterkeit und Klarheit und bei
Sonnenunteßgang eine Farbenglut verbreitet, die unaus—