Full text: [Teil 8 = 8. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 8 = 8. Schuljahr, [Schülerband])

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hin lauschend, lachend. Die Federbüschel ihrer langen Lanzen, ihr weißer, 
faltenreicher Burnus, ihre schwarzen Haare flattern im Winde— 
Jetzt steigt die Sonne empor. Über die Wüste rollt der goldene 
Strom, rein und hehr, wie, da er zum ersten Male über die werdende 
Erde sich ergoß. Die Karawane kehrt sich dem aufsteigenden Lichte ent 
gegen und begrüßt den Herrn der Schöpfung. Aber ihr Gebet ist 
stumm; der Mensch feiert und ist still mit der feiernden Natur Nichts 
hört man als die heisern Kehllaute des Kameltreibers oder das Getbn 
der Glöckchen, mit denen er sein Tier behängt. Und höher erhebt sich 
die Sonne, und ihre Glut strahlt herab und wieder von der Ede auf. 
2. Es ist Mittag. Die Sonne steht lotrecht am stahlblauen Himmel 
und drückt mit unbeschreiblicher Schwere auf Mensch und Tier, uͤm den 
Horizont aber lagert schwefelfarbiger Brodem. Die Beduinen haben sich 
dichter in ihren Burnus gehüllt, aus dem nur die schwarzen Augen her 
vorfunkeln. Zusammengekauert sitzen sie auf ihren Pferden und Drome— 
daren, Lanze und Säbel über den Sattelknopf geworfen. Die Treiber 
schleichen matt neben den Kamelen, die Märchenerzähler sind still ge— 
worden; auch die Rohrflöte ist verstummt. Das Knistern des unter den 
Füßen der Tiere zusammenrieselnden Sandes ist der einzige Laut in der 
unendlichen, glühenden Weite, aber er klingt dem peinlich gespannten 
Ohre wie meilenfernes Rauschen eines Katarakts Umsonst sucht auch 
das Auge nach einer Spur des Lebens Da ist nirgends ein Baum noch 
Strauch, nirgends selbst nur ein Schimmer dürftiger Halme. Nie, das 
sieht man, hät der Fuß des Fremdlings in dieser Ode geweilt, als um 
sie zu fliehen und wieder zu menschlichen Stätten zu gelangen. Grab— 
hügel und Gebein, Tod und Verwesung in allen Gestalten sind die einzigen 
Spuren der Hunderte und Tausende, die diese Straße der Schrecken ge— 
zogen. Langsam kreist der Aasgeier in den Lüften, der Schakal schleicht 
lauernd hinter den Sandbergen hervor, sie machen Jagd auf Leichen. 
Die Karawane lechzt, denn schon sind die Wasserschläuche geleert, 
und die Kamele haben den letzten aufgesparten Trunk aus der schwam— 
migen Kammer des Magens herausgepreßt, die Zunge zu feuchten. Es 
ist der fünfte Tag seit der letzten Tränke. Die Durstzeit muͤß enden, 
wenn nicht Tier und Mensch erliegen soll. 
Immer unerträglicher wird der Durst, jeder Atemzug wirft einen 
Feuerbrand in die Pulse. Einzelne Kamele der Nachhut erheben ein 
Angstgebrüll sie taumeln und zittern. Das Maß der Kräfte ist erschöpft. 
Ihres Schicksals bewußt, strecken sie sich stöhnend auf den Sand, indes 
ihre Augen wie hilfesuchend umherixxen. Krächzend und mit schwerem 
Flügelschlage kommt die Schar der Raben, um die Beute noch vor dem 
Erlöschen des letzten Lebensfunkens zu zerfleischen. Der Zug schleppt 
sich weiter, und unbemerkt bleibt wohl ein pilgernder Nachzügler, ein 
verlechztes Weib zurück. Ihre Tiere sind gefallen. Sie e einen 
ohnmächtigen Versuch, der Karawane zu folgen. Bald sinken sie nieden, 
und den Burnus über das Haupt gezogen, das Gesicht nach Mekka ge—
	        
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