300
Nunmehr hatten die Franzosen keine Armee im Felde. Aber den Forderungen
des Siegers sich beugen, den Frieden anzunehmen, dazu war das Volk zu ver—
blendet. Es suchte Hilfe in einer Revolution, und am 4. September wurde in
Paris die Republik ausgerufen. Eine aus Freiheitsmännern gebildete so—
genannte Regierung der Nationalverteidigung“ übernahm die Aufgabe, „Frank—
reichs heiligen Boden von den barbarischen Eindringlingen zu säubern.“ König
Wilhelm aber antwortete auf solchen Uebermut mit dem Befehle an die Seinen:
„Auf nach Paris!“ Am 19. September langten die Deutschen vor den Mauern
der Hauptstadt an. Allein ein weiter Kranz von mächtigen Festungswerken
schützte dasselbe Kaum war die deutsche Streitmacht zahlreich genug, die un—
ermeßlich große Stadt völlig zu umschließen. Nur eine monatelange Belagerung
konnte die Übergabe herbeiführen.
Unterdessen machten die Deutschen andere wichtige Eroberungen. Neben
vielen andern Festungen wurde auch das herrliche, vor 189 Jahren durch
schmählichen Verrat verloren gegangene Straßburg erobert. Ein noch größerer
Waffenerfolg war die vier Wochen später erfolgte UÜbergabe von Metz samt der
Gefangennehmung des französischen Heeres, das nach der Schlacht bei Gravelotte
dort eingeschlossen war. 180 000 Mann mit 3 Marschällen und 50 Generälen
wurden gefangen genommen und über 1400 Feld- und Festungsgeschütze erbeutet.
Die republikanische Regierung rief alle wehrfähigen Männer unter die
Waffen. Und in kurzer Zeit waren wirklich auch zahlreiche Heeresmassen ge—
sammelt. Selbst aus andern Ländern strömten Freiwillige herbei. Auch der
alte Freischarengeneral Garibaldi kam aus Italien. Allein diese ungeordneten
Scharen vermochten der Mannszucht der deutschen Heere nicht lange Stand zu
halten. Diese besiegten dieselben bei Amiens, St. Quentin, Orleans und Le
Mans. Im südöstlichen Frankreich kämpfte General Werder mit 40 000 Mann
gegen eine mehr als dreimal so starke feindliche Armee. Die Niederlage der
deutschen Waffen schien diesmal unvermeidlich. Doch auch hier wurden die
Franzosen in der dreitägigen Schlacht bei Belfort völlig geschlagen und ge—
zwungen, 88000 Mann stark, mit Roß und Wagen, auf das Schweizer Ge—
biet überzutreten und dort die Waffen niederzulegen.
Nun leistete nur Paris noch Widerstand. Über vier Monate lang war es
bereits von den Belagerern eingeschlossen. Eine Rettung der Stadt war nicht
mehr möglich. Alle Armeen, von denen sie Befreiung erwartet hatte, waren
vernichtet. Jeder Versuch, durch Ausfälle den eisernen Gürtel zu durchbrechen,
war gescheitert. Immer größer wurden die Verheerungen, welche die in die
Festungswerke oder in die Stadt selbst einschlagenden Geschosse anrichteten.
Zuletzt sah sich die 2 Millionen starke Pariser Bevölkerung vom Hungertode
bedroht. Schon aß man nicht nur Pferde- und Eselsfleisch, sondern auch
Hunde und Ratten und schlachtete die Bären und Elefanten des Tiergartens.
Da endlich dachte man an Ergebung. Am 28. Januar 1871 kapitulierte die
Riesenfestung, und am folgenden Tage wurden ihre Forts von den deutschen
Truppen besetzt. Am 2. März wurde alsdann der Friede von seiten des
deutschen Kaisers zu Versailles vollzogen, und am 10. Mai wurde derselbe
endgültig zu Frankfurt a. M. abgeschlossen. Die wichtigsten Friedensbedingungen