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gleitet sind, während derselbe im Flachlande noch von feuchter, regnerische
Beschaffenheit ist. Auf den höchsten Gebirgsrücken schmilzt dann gewöhn¬
lich der Schnee nicht mehr, und nur auf den niederen Abhängen und in
den Thälern herrscht vor dem gänzlichen Einwintern noch einige Wochen
der Wechsel von Frost und Tauwetter. Die angehäufte Schneemasse,
gewöhnlich die Höhe einer Klafter übersteigend, setzt dann die Baudner oft
, Wochen, ja Monate lang aus aller Verbindung mit den Thalbewohnern
und macht den Verkehr schwierig, selbst lebensgefährlich. Ost müssen die
Bewohner den Ein- und Ausgang durch die Dachluken oder den Schorn¬
stein suchen, die Richtung der gewöhnlichen Wege durch aufgesteckte lange
Stangen bezeichnen und, falls ein Sterbefall in der Familie eintritt, die
Leichen so lange im Schnee aufbewahren, bis das Tauwetter es ihnen
erlaubt, sie hinab auf den Kirchhof ihres Ortes zu bringen. Diese großen
Schneemassen verursachen aber auch hier, wie in allen Hochgebirgen, an
den steilen Lehnen häufige Schneestürze, die den Lawinen der Alpen ähn¬
lich sind; doch werden sie nicht so verderblich wie diese. Im Winter sind
Schlittenfahrten, auf kleinen Handschlitten die Bergabhänge hinab, ein ge¬
wöhnliches, dem Anscheine nach halsbrechendes Vergnügen, dessen Gefahren
aber die Kühnheit und Gewandtheit der Lenker leicht beseitigt.
4. Während im Winter der Schnee die Baudner oft entsetzlich belästigt, er¬
fahren sie im Sommer den häufigsten Wechsel von Nebel, Regen und heiterer
Witterung mit Winden und Stlirmen. Plötzlich ziehen Wolken zusammen
und verteilen sich wieder, einen lichten, bald zerrissenen, bald dichten und
zusammenhängenden Schleier um die Gipfel der Berge ziehend. Schnell
entstehen Windstöße von Norden nach Süden und umgekehrt; unerwartet
ergießen sich die heftigsten Regengüsse, und im schnellsten Wechsel erheitert
und trübt sich der Himmel. Furchtbare Gewitter, welche auch im Hoch¬
gebirge häufig sind, entladen sich mehr an den Hängen und Thalrändern:
doch treffen die Blitze nicht selten die höchsten Gipfel der Berge, wie sie
schon oft die Schneekoppe selbst, namentlich am 18. Oktober 1828 in einer
Stunde fünfmal getroffen haben.
5. Diese schnell wechselnden Erscheinungen in den höhern Gegenden
sind, nach der Volkssage, die Launen des gewaltigen Berggeistes Rübezahl,
welcher seit dem dreißigjährigen Kriege diese schauerlich große Gebirgs¬
gegend beherrscht. Semmler.
116. Wie Mbyahl Hotz fahren hilft.
Ein armer Bauersmann hatte sich ein wenig Holz im Gebirge zu¬
sammengelesen in der Hoffnung, solches bei guter Schneebahn bequem
hinunterzubringen. Da der Winter aber streng war und dabei wenig
Schnee fiel, mußte er mit Weib und Kindern große Kälte ausstehen. In