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Elend, wenn nicht die Sorge um ihren Ehegemahl sie zurückgehalten
hätte. Den hat eine solche Angst vor der Krankheit befallen, daß er
im Haus aus einem Winkel in den andern läuft, als ob er ihr ent—
fliehen könnte, und ruft und jammert: „Die Pest im Haus! Die Pest
im Haus!“ Auch von all ihrem Gesinde ist niemand bei ihnen ge—
blieben, auch des Meisters Schwestersohn, der wie ein Kind im Hause
gehalten wurde, nicht; nur ein Tucherlehrling. Das war armer Leute
Kind und aus Lissa von den böhmischen Brüdern herüber gekommen
zur Lehre in ihr Haus.
5. Wie nun die Nacht kommt und ein kalter Nebelschauer geht
durchs Land — denn es ist gegen den Herbst gewesen — und hernach
schlägt der Regen ans Fenster, da hat auch die Mutter im ganzen Haus
in keinem Eckchen mehr Ruh gehabt — aber nicht aus Angst vor der
Pest — und sie ringt die Hände und irrt durchs Haus und jammert
und weint: „Mein Kind, o mein armes Kind! Wer steht dir bei im
Grauen der Nacht?“ und weiß sich in ihrer Not und Angst um ihren
Sohn keinen Rat mehr. Und wie sie just denkt: „Du mußt hinaus
zu deinem todkranken Kinde, daß du ihm nah bist, wenn es stirbt,
und kannst ihm die brechenden Augen zudrücken,“ da klopft's an die
Tür hæs Kümmerleins, darin sie ist, und der Tucherlehrling tritt zu
ihr herein, und „Herrin,“ sagt er, „ich will zu Euerm Sohn gehen
und ihn suchen, wo er ist. Gebt mir ein paar warme Wolldecken
für ihn gegen die Kälte, und was Ihr ihm sonst etwa zu schicken
gedenkt. Ich will ihn pflegen wie meinen Bruder. Läßt ihn Gott
genesen, so bring' ich ihn Euch gesund heim. Rafft ihn aber die
Seuche dahin, so werd ich ihn in ein ordentlich Grab betten.“ Und
dann ist er hinausgezogen, ob er seines Herrn Sohn fände und retten
könne.
6. Die Stadtobrigkeit war mit Eifer bemüht, der Ausbreitung der
Seuche in der Stadt Einhalt zu tun. Und die Maßnahmen, die sie
traf, waren bitterhart. Wo auf der Straße, oder wo es sonst war,
nur einer betroffen ward, der der Pest verdächtig schien, der ward,
wenn er kein eigen Heim hatte, allsofort der Stadt verwiesen und mußte
hinausziehen in die Pesthütten, die sie draußen errichtet hatten. Und
wer da hineinging, lief dem Tod in die Arme; denn sie boten keinen
Schutz gegen Regen und Kälte, und es war doch im Herbst. Und so
kam es, daß die Totengräber nicht hinreichten, die Leichen derer zu
bergen, die tagtäglich in den Pesthütten der Seuche erlagen. Aber
auch in der Stadt nahm das Sterben überhand, und viele mußten
ihren Toten selbst das Grab graben, im Garten am Haus, oder wo es
sonst war.
7. In des Meisters Wolfhardt Haus wurde seltsamerweise niemand
weiter von der Seuche befallen. Dennoch mieden die Leute das Haus
und keiner kam, sich nach ihnen umzutun und ihnen Trost zuzusprechen
in ihrem herben Leid, selbst die Nachbarn und besten Freunde nicht.