2 Zur Erinnerung an Kaiser Wilhelm I.
sich der Tod sichtbar ankündigte, segnete der Geistliche, während
die Königliche Familie niederkniete, den Sterbenden ein mit den
Worten: „Der Herr behüte deinen Ausgang und deinen
Eingang von nun an bis in Ewigkeit! Ziehe hin in
Frieden!"
Draußen aber ließen die Glocken ihren ehernen Mund ertönen,
ein Schluchzen ging durch die Menschenmenge, und dumpf rollten
die Salven der Artillerie, welche den Heimgang des obersten Kriegs¬
herrn verkündigten. Es war am 9. März, vormittags 8% Uhr;
herzliche Trauer verbreitete sich über das ganze Deutsche Reich.
2. Vom Dome über die Schloßbrücke, die Straße „Unter den
Linden" hinunter, chinaus durch das Brandenburger Thor bewegte
sich am 16. März der glänzendste Leichenzug, welchen die Welt
jemals gesehen hat, nach dem Mausoleum in Charlottenburg, der
Grabstätte der erlauchten Eltern Kaiser Wilhelms; dort hatte
auch er ruhen wollen. Seine alte Siegesstraße hatte sich in
die ernste Farbe der Trauer gehüllt; alles Glänzende war
hinter schwarzen Stoffen verborgen, unzählige Masten, Säulen,
Bauwerke waren errichtet, mit Trauerschmuck und Abschiedssprüchen
versehen und unter einander durch Florbehänge verbunden; da¬
zwischen standen Spalier bildend die Vertreter der Innungen, aller
Schulen, der Schützengilde, der Kaufleute und Arbeiter, der Turner,
der Kriegervereine und des Heeres. Im Leichenzuge kamen zuerst
diejenigen Soldaten verschiedener Gattungen, welche die Trauer¬
parade bildeten; ihnen reihte sich die Hofgeistlichkeit an, die gesamte
hohe und niedere Hofdienerschaft, die Leibärzte, die Minister mit
den Zeichen der Kaiser- und Königswürde und endlich der von acht
Pferden gezogene Leichenwagen. Der erste unter den fürstlichen
Leidtragenden war Kronprinz Wilhelm. Auf seinem Antlitze prägte
sich tiefer, gewaltsam zurückgedrängter Schmerz aus. Der alt¬
bewährte Freund des Kaisers, der König von Sachsen, die Könige
von Belgien und Rumänien folgten ihm; die Prinzen des König¬
lichen Hauses, die Thronfolger von Österreich, Italien, England,
Schweden und Rußland, sowie viele andere Fürstlichkeiten schlossen
sich diesen an, alle ihrer Trauer durch einen schwarzen, von den
Helmen herabwehenden Flor Ausdruck gebend.
In stiller Majestät fuhr der Kaiserliche Leichenwagen die Reihen
der Soldaten entlang, und überall, wo der Kaisersarg vorüber kam,
senkten sich die Fahnen, und die Regimentskapellen fielen mit ge¬
dämpftem Trommelwirbel und ernsten Trauerchorälen ein.
An einem Fenster des Schlosses zu Charlottenburg stand Kaiser
Friedrich und sah den Trauerzug vorüberziehen und in den düstern
Tannengang einbiegen, welcher durch den Schloßpark nach dem
Mausoleum führt.
In diesem erwartete die Kaiserin Viktoria mit anderen fürst¬
lichen Damen den Sarg des Kaisers und das fürstliche Leichen¬
gefolge, und nach einem kurzen Gebete schlossen sich die Pforten der
Ruhestätte des ersten deutschen Hohenzollernkaisers, die geweiht ist
für alle Zeiten.
(Unter teilweiser Benutzung der Darstellung des Familienblattes „Daheim".)