Parzival.
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Baumgarten!" rief die Dame, und schnell eilte Gawain dahin. Wohl
warnte ihn ein alter Ritter im Garten vor der gefährlichen Herzogin
Orgelluse, die schon manchen tapferen Helden in den Tod gesandt; aber
was vermochte fein Wort bei dem verzückten Gawain? Er folgte seiner
Herrin unentwegt, und diese setzte nun, seine Treue zu erproben, ihn gar
vielen Gefahren und Abenteuern aus, die der Held aber alle glücklich über¬
wand. Endlich kamen sie an eine schimmernde, hohe Felsenburg, und Orgel-
luse sprach: „Dort haust der mächtige Gramoflans, mein Todfeind, der
meinen Bräutigam erschlug, mich auch sonst schwer kränkte. Wenn Ihr
mir von seinem Wunderbaume einen Zweig bringt und ihn im Zwei¬
kampfe besteht, so will ich Euer treues Ehegemahl sein." Eiligst machte
sich Gawain bei dieser frohen Botschaft auf den Weg und gelangte nach
vielen Fährnissen auch an den Wunderbaum. Schon wollte er einen
Zweig herunterreißen, da erschien ein stattlicher Ritter und rief: „Halt
ein, Verwegener, wie kannst du meinen Wunderbaum plündern? Ich
kenne dich wohl, Gawain, und freue mich des Kampfes; denn dein Vater
hat einst den meinigen erschlagen und ich will nun Sühne an dir nehmen.
Vor vielen schönen Augen, vor dem Schlosse Klinschors, erwarte ich dich
mit tausend guten Recken, erscheine mit derselben Zahl!" Hiermit wandte
er sich ab, Gawain aber brachte froh seinen Zweig der holden Gebieterin,
die ihm einen gütigen Blick zusandte.
Sie ritten weiter und sahen bald zwei herrliche Schlösser vor
sich liegen, Longreis, den Stammsitz Orgellusens, und das Zauberschloß
Klinschors, wo der böse Zauberer viele edle Frauen gefangen hielt.
Hier schied die Herzogin von Gawain mit dem Befehl, erst wenn er
Gramoflans besiegt, ihr Schloß zu betreten. Lange schaute ihr der
treue Ritter sehnsüchtigen Auges nach, bis die Teure ihm entschwunden;
dann ließ er sich übersetzen über den dazwischenliegenden Strom und war
begierig, welche Abenteuer ihn im Zauberschlosse erwarten würden. Der
Ferge, der ihn gastfreuudschaftlich über Nacht beherbergte, riet ihm zwar
eifrig ab, das Schloß zu betreten, aber als er jenen fest auf seinem
Willen bestehen sah, empfahl er ihm, ja Schild und Panzer unter keinen
Umständen abzulegen.
Am frühen Morgen trabte Gawain frohen Mutes vor das
Wunderschloß, dessen Pforten ihm von einem Riesen geöffnet wurden.
Totenstille herrschte im ganzen Schloß; endlich fand Gawain in einem
weiten Saal ein herrliches Ruhebett, und wollte sich, der weiteren Dinge
wartend, ein wenig auf demselben ausruhen. Allein sobald er nahte,
wich das Bett zurück, und wenn er stille stand, hielt es ebenfalls. Geschickt
ersah er sein Ziel, und mit einem gewaltigen Satze sprang er mitten