Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Volksschulen des Regierungsbezirkes Oberfranken

7. Das Vaterhaus. 
11 
geht es aus und ein wie in einem Taubenschlage und du kannst dein Mittags— 
schläfchen nicht machen; willst du nicht zu neiner Schwester, der Käthe? Die 
wohnt an der Stadtmauer.“ 
Der Alte merkte, wieviel es geschlagen hatte, und sprach bei sich selbst: 
„Wohlan, das will ich tun. Ich will mich aufmachen und es bei meinen 
Töchtern versuchen. Die Weiber haben ein weicheres Herz.“ 
Da er aber eine Zeitlang bei seiner Tochter gewesen war, wurde auch 
sie sein überdrüssig und meinte, es sei ihr immer höllenangst, wenn der 
Vater zur Kirche oder sonst wohin gehe und die hohe Treppe hinunter müsse. 
Bei der Schwester Elisabeth brauche er keine Treppe zu steigen, die wohne 
zur ebenen Erde. 
Damit er in Frieden wegkam, gab ihr der Alte zum Scheine recht und 
zog zu seiner anderen Tochter. Und da er eine kurze Zeit bei ihr gewesen 
war, wurde auch sie sein müde und ließ ihm durch einen Dritten zu Ohren 
kommen, ihr Quartier an der Pegnitz wäre zu feucht für einen Mann, der 
mit Gicht geplagt sei; dagegen ihre Schwester, die Totengräberin bei St. Jo⸗ 
hannis, hätte eine überaus trokene Wohnung. Der Alte glaubte selbst, 
sie könne recht haben, und begab sich vor das Tor zu seiner jüngsten 
Tochter Lene. 
Und als er zwei Tage bei ihr gewesen war, sagte ihr Söhnlein zu ihm 
„Großvater, die Mutter sprach gestern zur Base Elisabeth, für dich gebe es 
kein besseres Quartier als in einer Kammer, wie sie der Vater grabe.“ über 
diese Rede brach dem guten Alten das Herz, daß er in seinen Armstuhl 
zurücksank und starb. 
St. Johannis nahm ihn auf und ist barmherziger gegen ihn als seine 
Kinder; denn er läßt ihn in seiner Kammer immer ungehindert schlafen seu 
dieser Zeit. Darum sagt man im Sprichworte, daß ein Vater leichter kann 
sechs Kinder ernähren denn sechs Kinder einen Vater, und gibt den Alten 
den Rat: „Tue dich nicht aus, ehe du dich schlafen legst!“ garl Stbber. 
7. Das VBaterhaus. 
Ob prãchtig scheint mit Turm und Bogen 
Das Vaterhaus ins weite Land; 
Ob es, vom Caubgrün hold umzogen, 
Sich lehnet an des Waldes Rand; 
Ob in der Straßen langer Reihe, 
Ob einsam, in den Fluren drauß': 
Ihm mangelt nicht die rechte Weihe — 
Es bleibet stets das liebste Haus. 
2. Und ob in Farben, Samt und Set 
Die Wände prangen wunderhold 
Ob drinnen herrliches Geschmeide 
Erglänzt in Silber und in Gold;
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.