168 121. Das Gottesgericht in Frankreich und die Wiederherstellung :c.
Vorgefallenen entschuldigen. Natürlich wies der ritterliche Wilhelni diese scham¬
losen Forderungen würdevoll und fest zurück; sah nun doch mit ihm das ganze
Deutschland klar, daß die Franzosen es nur darauf abgesehen hätten, unser
Vaterland zu entehren und zu demütigen oder es zu berauben.
Aber Napoleon hatte sich in seinen Anschlägen sehr verrechnet. Er hatte
gehofft, die seit 1866 in Preußen einverleibten Provinzen würden zum Abfall
bereit sein, die süddeutschen Staaten Baiern, Würtemberg und Baden würden
auf seiner Seite stehen oder jedenfalls sich teilnahmlos verhalten: aber die dem
Heldenkönig in Ems widerfahrene Beleidigung weckte in ganz Deutschland, von
den Alpen bis zur Nordsee, die schlummernden patriotischen Gefühle, durch Mil¬
lionen zuckte wie mit elektrischem Schlage die Empfindung, daß, wenn Frankreich
denn durchaus den Krieg wolle, das gesamte Vaterland zur heldenmütigen Ab¬
wehr sich erheben und für alte und neue Unbilden zugleich die Abrechnung
machen werde.
Am 15. Juli verließ König Wilhelm die Stadt Ems, um sich nach Berlin
zu begeben. Auf dieser Reise mochten wohl bange Sorgen ihn beschleichen, denn
es war vorauszusehen, daß dieser Krieg ein entsetzlich blutiger sein würde, aber
erhebend war die Begeisterung, womit ihm in allen Städten, die er berührte,
vornehmlich aber in seiner Hauptstadt Berlin, die Bevölkerung entgegenjubelte:
man fühlte, daß durch die Beleidigung, die ihm die welsche Frechheit zugefügt
hatte, ganz Deutschland herausgefordert sei, daß das Vaterland aber auf seinen
Hort, den großen und guten König Wilhelm, bauen könne. Und sofort kamen
auch aus Süddeutschland die erfreulichsten Nachrichten: der ritterliche König Lud¬
wig von Baiern erließ schon am 16. Juli den Befehl an seine Truppen, sich
kriegsbereit zu halten, Würtemberg und Baden folgten bald, das Schutz- und
Trutzbündnis von 1866 bestand also seine Probe.
Noch nie war Deutschland so einig gewesen, noch nie waren alle seine
Stämme so sehr von derselben Begeisterung durchglüht. Niemand verhehlte sich
freilich, daß dieser Krieg ungeheure Opfer fordere, ja, weil Napoleon offenbar
schon lange diesen Angriff vorbereitet hatte, mußte man darauf gefaßt sein, daß
er den deutschen Heeren zuvorkommen und große Strecken deutschen Bodens mit
allen Greueln des Krieges heimsuchen würde; aber alle waren erfüllt vom Bewußt¬
sein, daß das gute Recht mit König Wilhelm sei, daß die Einmütigkeit des
ganzen Vaterlandes den endlichen Sieg verbürge und daß aus dem Feuer
dieses Kampfes das deutsche Reich in neuer Herrlichkeit hervorgehen inüsse. So
sahen alle mit klaren: Blick und festem Gottvertraucn den drohenden Gefahren
entgegen.
Am 19. Juli ward die französische Kriegserklärung, die man schon seit
einigen Tagen vorausgesehen hatte, in Berlin überreicht. Es war der Todestag
der Königin Luise, der Mutter unseres Königs, die einst von Napoleon I. so
schwer gekränkt und beleidigt war. Aber dies Zusammentreffen erhöhte nur den
frommen Mut: war es doch vielleicht ein göttliches Zeichen, daß nun die Stunde
gekommen sei, wo der französische Übermut, der oft so schwer auf unserem
Vaterlande gelastet hatte, für immer gebrochen werden solle.
An demselben Tage eröffnete der König in Person den Reichstag des nord¬
deutschen Bundes mit einer Thronrede, worin er, nach Darlegung des leichtsinnigen
und frevelhaften Friedensbruches, folgende denkwürdige ^Worte sprach: