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VII. Der Garten.
rein. Noch trauert die Erde im starrenden RVis, da bluübt
schon die Zarte im blendenden Weiss. Doch ehe die Nach-
tigall singet lhr Lied, ist schon mein lebliches Blümchen
verblüht. Es lächelt voll Wehmuth, voll Milde mir zu; dann
velken die Blätter — es eilet zur Ruh. lIeh lebe dich,
Blümehen auf schneeiger Flur, du bist mir ein Bote der
schönern Natur. O wäre das Leben ein Bild vur von dir;
der Mensch wär' ein Engel, der Himmel sehon hier.
PFr. Gleich.
151. Das Maienglöckchen.
Waienlilio, kannst du sagen, varum du musst Glöcklein
tragen? „König Mai wird kommen heute, und ich muss es
mit Geläute allen Blumen eilig küunden in den Wäldern, in
den Gründen, dass sie mögen bluühend stehn, wenn er vird
vorüber gehn!“ Ad. Schults.
152. Das vorangehende Veilehen.
Eiĩ, Veilchen, liebes Veilechen, so sag' doch einmal an:
Warum gebst du ein Wellechen den Blumen all' voran? Well
ich bin so gar kleine, drum komm' ich vor dem Mai; denn
kam iceh nicht alleine, so gingt ihr mir vorbei.“
Ad. Schults.
153. Das Veilchen.
Die kleine Marie ging mit ihrem Vater und ihreèr Mutter
an einem hrühlingsmorgen auf dem Velde, da sprach sie:
„Narum hat man doch das Velleben so lieb? Es vird in
vielen sehbönen Liedern besungen, und sobald es aufblihet,
zueht ein Jeder darnach und freuet sieh, wenn er eines ge
funden.“ — Also redete Marie zu ihrer Mutter,
„Siehe,“ antwortete die Mutter, „es ist die erste Gabe
des Frublings nack dem kalten Winter. Man freuet sieh des
Guten und des Schönen am meiston, wenn man es lange ent⸗
bohrt hat.“
„Und man empfängt es mit grösserem Danke,“ sagte der
Vater, weil der Frübling das Blümchen so sehneil und frube
giebt. Mer sehnell das Gute vollbringt, beweist, dass er
es gerne thut, und vermeöhrt die Danscharkeit. Und diese
heiliget die Preude.“
„Nennet man das Veilehen,“ fragte Marie, nicht auch das
Blumehen der Bescheidenheit?“