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III. Das Familienleben.
konnte, fortgebracht werden, da Jeder Gott dankte, der Pferde
ufzutreiben wußte, um das Beste seiner Habseligkeiten hinweg⸗
schaffen zu können? Der Mutter war es jedoch nur um die
Sicherhelt ihrer Kinder zu thun. Sie begehrte, daß sie fliehen,
sie selbst aber zurücklassen solllen. Ihre grauen Haare, meinte
fie, wurden sie schützen, und im schlimmsten Falle hätte sie ja
boch nur noch wenige Tage zu leben. Aber die guten Kinder
Valen nur besorgt um das theure Leben der guten Mutter und
wollten ohne dieselbe nimmermehr fortgehen. Während dieses
Slreiles zwischen Mutter⸗ und Kindesliebe fiel der Blick des
Sohnes von ungefähr auf ein unbespanntes Wäglein, das im
Hofe stand. — „Hier ist es ja, was wir brauche n! rief er freudig
us und eilte hinab, der Mutter einen bequemen Sitz auf dem—
selben zu bereiten. Sogleich begann die Abreise. Einige der
Kinder zogen mit den andern abwechselnd das leichte Fuhrwerk.
Die ubrigen trugen unterdessen das wenige Gepäck, was man in
der Eile schnell hatte zusammenraffen können. Die Liebe zur
theuren Mutter gab Kraft und Vertrauen. Glücklich gelangten sie
uber den Rhein hinüber. Als sie in der nächsten Stadt ankamen,
bunderte an heruhrt die treuen Kinder, denen die Rettung der
Mutter das kostbaͤrste Gut war.
63. Was ist süßer?
Wenn der Vater seinem Kindchen in das kleine, rothe Münd⸗
chen ein klein Stückchen Zucker steckt, und's dem Kinde prächtig
schmeckt; — Kindlein, liebes Kindlein, o sage geschwind: Muß das
nicht suß sein für Vater und Kind?
6 wenn s Kind den Vater pfleget, weich das kranke Haupt
ihm leget, und den Mund so welk und heiß, liebend zu erquicken
weiß; Kindlein, liebes Kindlein, o sage geschwind: Muß das nicht
noch sußer sein für Vater und Kind? Julius Kell.
64. Muth zweier Knaben
Im Lande Ungarn wohnte nicht weit von der Stadt eine
arme Wittwe auf dem Dorse. Diese Frau war krank, und da
5 im Hause an Holz mangelte, schickte sie ihre beiden Knaben
mit einem Schlitten hinaus in den Busch. Von diesen Knaben
war der aͤlteste noch nicht volle zwölf, der andere erst acht Jahre
i. Wie sie mit ihrein Schlitlen an der Kirche vorüberkamen,
sagte der jüngere: „Janko, mir ist wunderlich zu Muthe. Es
sl mir, als mußte uns ein Unglück begegnen. Laß uns erst
in die Kirche gehen.“ Der ältere antwortete: „Ich bin auch