Full text: Lesebuch für Mittelklassen deutscher Volksschulen (2, [Schülerband])

— 
—98 
III. Das Familienleben. 
konnte, fortgebracht werden, da Jeder Gott dankte, der Pferde 
ufzutreiben wußte, um das Beste seiner Habseligkeiten hinweg⸗ 
schaffen zu können? Der Mutter war es jedoch nur um die 
Sicherhelt ihrer Kinder zu thun. Sie begehrte, daß sie fliehen, 
sie selbst aber zurücklassen solllen. Ihre grauen Haare, meinte 
fie, wurden sie schützen, und im schlimmsten Falle hätte sie ja 
boch nur noch wenige Tage zu leben. Aber die guten Kinder 
Valen nur besorgt um das theure Leben der guten Mutter und 
wollten ohne dieselbe nimmermehr fortgehen. Während dieses 
Slreiles zwischen Mutter⸗ und Kindesliebe fiel der Blick des 
Sohnes von ungefähr auf ein unbespanntes Wäglein, das im 
Hofe stand. — „Hier ist es ja, was wir brauche n! rief er freudig 
us und eilte hinab, der Mutter einen bequemen Sitz auf dem— 
selben zu bereiten. Sogleich begann die Abreise. Einige der 
Kinder zogen mit den andern abwechselnd das leichte Fuhrwerk. 
Die ubrigen trugen unterdessen das wenige Gepäck, was man in 
der Eile schnell hatte zusammenraffen können. Die Liebe zur 
theuren Mutter gab Kraft und Vertrauen. Glücklich gelangten sie 
uber den Rhein hinüber. Als sie in der nächsten Stadt ankamen, 
bunderte an heruhrt die treuen Kinder, denen die Rettung der 
Mutter das kostbaͤrste Gut war. 
63. Was ist süßer? 
Wenn der Vater seinem Kindchen in das kleine, rothe Münd⸗ 
chen ein klein Stückchen Zucker steckt, und's dem Kinde prächtig 
schmeckt; — Kindlein, liebes Kindlein, o sage geschwind: Muß das 
nicht suß sein für Vater und Kind? 
6 wenn s Kind den Vater pfleget, weich das kranke Haupt 
ihm leget, und den Mund so welk und heiß, liebend zu erquicken 
weiß; Kindlein, liebes Kindlein, o sage geschwind: Muß das nicht 
noch sußer sein für Vater und Kind? Julius Kell. 
64. Muth zweier Knaben 
Im Lande Ungarn wohnte nicht weit von der Stadt eine 
arme Wittwe auf dem Dorse. Diese Frau war krank, und da 
5 im Hause an Holz mangelte, schickte sie ihre beiden Knaben 
mit einem Schlitten hinaus in den Busch. Von diesen Knaben 
war der aͤlteste noch nicht volle zwölf, der andere erst acht Jahre 
i. Wie sie mit ihrein Schlitlen an der Kirche vorüberkamen, 
sagte der jüngere: „Janko, mir ist wunderlich zu Muthe. Es 
sl mir, als mußte uns ein Unglück begegnen. Laß uns erst 
in die Kirche gehen.“ Der ältere antwortete: „Ich bin auch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.