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Eine Zeitlang schwankte sie und ließ sich von ihren Gedanken
hin und her treiben; endlich stand sie still und sprach kühn und
freudig: „Ihr Menschen, ich helfe euch, geschehe, was da wolle!"
Dieser Gedanke machte sie riesengroß und stark und gewaltig.
Sie selbst hatte vorher nie geahnt, daß sie solcher Größe nur fähig
wäre. Wie ein segnender Gott stand sie über dem Lande da und
erhob ihr Haupt und breitete ihre Schwingen weithin über die Gefilde.
Ihre Herrlichkeit war so groß, daß der Mensch und das Tier davor
erschraken, daß die Bäume und das Gras vor ihr sich neigten; aber
alle ahnten wohl, das sei ihre Wohltäterin.
„Ja, ich helfe euch!" rief die Wolke abermals. „Nehmt mich
hin, ich sterbe für euch!"
Es war ein gewaltiger Wille, der sie dabei durchzuckte, ein
helleres Licht durchglühte sie, Donner durchbrauste sie, von einer un¬
endlichen Liebe wurde sie durchströmt; sie senkte sich nieder auf die
Erde und zerfloß in segenträufelnden Regen.
Über das ganze Land, soweit der Regen sich ergoß, hob sich ein
leuchtender Farbenbogen, gebildet aus den reinsten Strahlen des
Himmels.
Doch auch er schwand nach kurzer Zeit dahin; aber der Segen
der Wolke blieb den beglückten, geretteten Menschen für lange Zeit
zurück.
Robert Neinick.
IX. Aus der vaterländischen Geschichte.
245. Wie es vor alten Zeiten in unserm Lande ausgesehen hat.
Bor zweitausend Jahren hat es in unserm Lande ganz anders
ausgesehen als heute.
Äcker waren nur wenige zu finden, und keine Obstbäume standen
darauf. Dagegen gab es viele Wiesen und viel, viel Wald. Die
Wiesen waren sumpfig; denn die Bäche liefen darüber, wie sie wollten,
und im Walde sah es wild und schauerlich aus. Wölfe lebten darin
und Bären, wilde Auerochsen und Elchhirsche mit schaufelförmigem