über die Gewerbefreiheit gerne das Gutachten eines braven, sachkundigen Hand¬
werkers hören. Ich zweifle nicht, Ihr habt Euch die Sache genugsam und
reiflich überlegt. Bei dem jetzigen Stand der Dinge klagt das Publikum
über Zwang, den es von den Handwerkern dulden muß, über die Verarmung
vieler, die etwas erwerben wollen, denen man keine Mittel und Wege dazu
offen läßt. Man verlangt unbedingte Gewerbefreiheit. Dagegen jammern
und lärmen die Handwerker, daß sie brotlos werden, wenn man ohne Unter¬
schied jedermann Handwerkern läßt, daß sie bei Einführung von Gewerbe¬
freiheit insgesamt an den Bettelstab kommen müssen, und daß das Publikum
selber den größten Schaden davontragen werde, wenn es von Stümpern
betrogen wird. Welchen Weg hier nun einschlagen?"
„Mittendurch, gnädigster Herr! Zunftwesen und Gewerbefreiheit müssen
nebeneinander bestehen," sagte Jordan.
„Weise gesprochen, Meister!" warf der Fürst ein, „aber wie wollt Ihr
Gewerbefreiheit und Zunftzwang miteinander vereinigen?" — „Ich würde den
Zunftzwang abschaffen, aber nicht das Zunftwesen; ich würde Gewerbe¬
freiheit gestatten, doch nicht Gewerbezügellosigkeit. In Dörfern und Städten
würde ich die Niederlassung von Handwerkern, Landeskindern wie ansässigen
Fremden, erlauben; nur sollte niemand ein Handwerk treiben, ohne einen
Gewerbeschein zu haben, und niemand sollte hausieren dürfen, wenn er nicht
Ware führt, die von einem zugelassenen Handwerksmeister herrührt. Kein
Meister aber sollte einen Gewerbeschein erhalten, der nicht das Zeugnis einer
Zunft vorlegen könnte, er verstehe sein Handwerk aus dem Grunde und habe
als tüchtiger Gesell einen ordentlichen Lehrbrief erhalten. Es muß künftig
schwerer sein, Geselle, als heutigestags Meister zu werden. Wird der Lehr¬
ling Geselle, so steht es ihn: frei, ans die Wanderschaft zu geheit oder sich
ansässig zu machen und einen Gewerbeschein zu fordern.
Nun aber gelange ich zum Grundübel, an welchem der Handwerksstand
krankt. Da nimmt man den Jungen aus der Schule, ehe er was Rechtes
gelernt hat, thut ihn zu früh in die Lehre, wo er dann vergißt, was er aus
der Schule mitgebracht hat, spricht ihn nachher frei, macht ihn zum Gesellen,
fragt nicht, wieviel er versteht, sondern wieviel Jahre er in der Lehre gestanden.
So ist der Gesell gewöhnlich nur ein erwachsener Lehrbursch, der nicht mehr
die Stuben wischen muß und nach Jahren nur ein paar Handgriffe erlernt
und eingeübt hat. Dann zieht er in andern Städten umher, schnappt ein
paar Handgriffe mehr auf, wird Meister und bleibt Stümper im Handwerk
sein Leben lang."
Hier machte der Kabinettsrat eine beifällige Bewegung, und auch der
Fürst wurde ernster und mahnte den Meister weiter zu reden.
„Es sollte mir," fuhr Jordan fort, „kein Knabe eher ins Handwerk
gethan werden, als bis er, je nach Bedarf seines künftigen Berufs, das Nötigste
in der Zeichenknnst, desgleichen das zum Handwerk Nützliche und Unentbehr¬
liche aus der Mathematik, aus der Mechanik u. dgl. inne hätte. Je mehr
er aus der Schule ins Handwerk hinüberträgt, um so mehr trägt ihm nachher
die Ernte vom Handwerk ein."
„Ihr treibt es zu weit, Meister Jordan!" fiel ihm der Fürst in die
Rede, „woher sollen eure Lehrburfchen all die Gelehrsamkeit nehmen?"
„Wo sie die Fabrikanten hernehmen, Ew. Durchlaucht. Fabrikanten,
Chemiker, Mechaniker haben Gewerbeschulen, Kaufleute ihre Handelsschulen,
Offiziere ihre Kriegsschulen, reiche Landwirte ihre Ackerbanschulen, Maurer