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eine Anzahl von Sternen bewegt, welche niemals über unsern Gesichts-
kreis heraufsteigen, wohl aber in südlicheren Gegenden sichtbar sein
werden. Und so gewinnen wir die Ansicht, dass für uns immer eine
ganze Hälfte des Himmelsgewölbes unter dem Horizonte liege, während
wir die andere über demselben erblicken, dass also das Firmament keine
halbe, sondern eine ganze Hohlkugel sei, welehe den Erdball rings
umschliesst.
Eine andere Ausnahme von der allgemeinen Regel des Sternenlaufes
macht eine verhältnismässig Heine Anzahl von Himmelskörpern, welehe
deshalb zu den merkwürdigsten des Firmaments gehören. Diese Sterne
folgen zwar auch der allgemeinen Bewegung des Himmelsgewölbes und
beschreiben tüglich einen Kreis um die Erde von Osten nach Westen.
Dabei aber haben sie noch einen eigenen, dem allgemeinen Umschwunge
des Himmels entgegengesetzten Lauf von Westen nach Osten. NMan
kann diess Bewegung am allerdeutlichsten bei dem Monde wahrnehmen.
Sieht man 2. B. in einem gewissen MAugenblicke den Mond bei einem
Sterne, so wird man nach Verlauf einer Stunde schon deutlich merken,
dass derselbe von diesem Sterne etwas weggerückt ist, und zwar nach
Osten hin. Nach vierundzwanzig Stunden ist die Strecke, um welche er
sich entfernt hat, schon so bedeutend, dass er fast eine Stunde später
aufgeht als dex Stern, bei welchem er tags zuvor gestanden hat.
Dieses allmähliche Entfernen von seinem ersten Standorte dauert
fort. Nach vierzehn Tagen sieht man ihn wieder von Westen her dem
Sterne sich nähern, und nach abermals vierzehn Tagen ist er neuerdings
in der Nähe desselben angekommen. Er hat also in der Zeit von etwa vier
Wochen den Weg um den ganzen Himmel durch alle Sterne zurückgelegt.
Einen ähnlichen Lauf, nur in verschiedenen, weit grösseren Zeit-
räumen, beschreibt auch eine Anzahl anderer Himmelskörper. Auch sie
wandeln bestündig durch die anscheinend stillstebenden Sterne im all-
gemeinen von Westen nach Osten, um das ganze Himmelsgewölbe herum.
Man hat ihnen deswegen den Namen Wandelsterne oder Planeten
gegeben, während man die am Firmament scheinbar befestigten Pix-
gterue nennt.
Das sinnliche Auge vermag durchaus nicht zu bestimmen, in welcher
Entfernung sich die Sterne befinden. Sie erscheinen uns darum alle
gleichweit entfernt, und der halbe Himmel stellt sich uns in der Ge-
stalt eines ungeheuren Domgewölbes dar, an dessen innerer Wölbung die
Sterne befestigt sind. Dabei ist indessen zu bemerken, dass infolge
einer optischen Täuschung das Himmelsgewölbe nicht genau halbkugelig,
sondern etwas flachgedrückt erscheint. Vermöge dieser Täuschung er—
bliecken wir auch die Sonne und den Mond, wenn sie in der Nähe des
Horizonts stehen, viel grösser, als wenn sie eine gewisse Höhe erreicht
haben, und zwei Sterne, deren Entfernung wir uns genau gemerkt, er—
scheinen wie auseinandergezerrt, sobald sie sieb dem Horizonte nähern.
0. Schmezer.
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