Full text: Oberstufe, Oberabteilung, (1. Klasse der Berliner Gemeindeschule) (Teil 5, [Schülerband])

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eine Anzahl von Sternen bewegt, welche niemals über unsern Gesichts- 
kreis heraufsteigen, wohl aber in südlicheren Gegenden sichtbar sein 
werden. Und so gewinnen wir die Ansicht, dass für uns immer eine 
ganze Hälfte des Himmelsgewölbes unter dem Horizonte liege, während 
wir die andere über demselben erblicken, dass also das Firmament keine 
halbe, sondern eine ganze Hohlkugel sei, welehe den Erdball rings 
umschliesst. 
Eine andere Ausnahme von der allgemeinen Regel des Sternenlaufes 
macht eine verhältnismässig Heine Anzahl von Himmelskörpern, welehe 
deshalb zu den merkwürdigsten des Firmaments gehören. Diese Sterne 
folgen zwar auch der allgemeinen Bewegung des Himmelsgewölbes und 
beschreiben tüglich einen Kreis um die Erde von Osten nach Westen. 
Dabei aber haben sie noch einen eigenen, dem allgemeinen Umschwunge 
des Himmels entgegengesetzten Lauf von Westen nach Osten. NMan 
kann diess Bewegung am allerdeutlichsten bei dem Monde wahrnehmen. 
Sieht man 2. B. in einem gewissen MAugenblicke den Mond bei einem 
Sterne, so wird man nach Verlauf einer Stunde schon deutlich merken, 
dass derselbe von diesem Sterne etwas weggerückt ist, und zwar nach 
Osten hin. Nach vierundzwanzig Stunden ist die Strecke, um welche er 
sich entfernt hat, schon so bedeutend, dass er fast eine Stunde später 
aufgeht als dex Stern, bei welchem er tags zuvor gestanden hat. 
Dieses allmähliche Entfernen von seinem ersten Standorte dauert 
fort. Nach vierzehn Tagen sieht man ihn wieder von Westen her dem 
Sterne sich nähern, und nach abermals vierzehn Tagen ist er neuerdings 
in der Nähe desselben angekommen. Er hat also in der Zeit von etwa vier 
Wochen den Weg um den ganzen Himmel durch alle Sterne zurückgelegt. 
Einen ähnlichen Lauf, nur in verschiedenen, weit grösseren Zeit- 
räumen, beschreibt auch eine Anzahl anderer Himmelskörper. Auch sie 
wandeln bestündig durch die anscheinend stillstebenden Sterne im all- 
gemeinen von Westen nach Osten, um das ganze Himmelsgewölbe herum. 
Man hat ihnen deswegen den Namen Wandelsterne oder Planeten 
gegeben, während man die am Firmament scheinbar befestigten Pix- 
gterue nennt. 
Das sinnliche Auge vermag durchaus nicht zu bestimmen, in welcher 
Entfernung sich die Sterne befinden. Sie erscheinen uns darum alle 
gleichweit entfernt, und der halbe Himmel stellt sich uns in der Ge- 
stalt eines ungeheuren Domgewölbes dar, an dessen innerer Wölbung die 
Sterne befestigt sind. Dabei ist indessen zu bemerken, dass infolge 
einer optischen Täuschung das Himmelsgewölbe nicht genau halbkugelig, 
sondern etwas flachgedrückt erscheint. Vermöge dieser Täuschung er— 
bliecken wir auch die Sonne und den Mond, wenn sie in der Nähe des 
Horizonts stehen, viel grösser, als wenn sie eine gewisse Höhe erreicht 
haben, und zwei Sterne, deren Entfernung wir uns genau gemerkt, er— 
scheinen wie auseinandergezerrt, sobald sie sieb dem Horizonte nähern. 
0. Schmezer. 
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