Full text: Oberstufe, Oberabteilung, (1. Klasse der Berliner Gemeindeschule) (Teil 5, [Schülerband])

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vor Utrecht an und nahmen den Bischof von Friesland, welchen Winfried 
eingesetzt hatte, zu sich in das Schiff. Dann fuhren sie ostwärts bis zur 
Grenze der heidnischen Friesen. Dorthin hatte Herr Winfried im voraus 
das neubekehrte Volk geladen, damit er den Getauften die Hand auflege 
und sie im Glauben befestige; seine Boten waren durch das ganze Friesen— 
land gegangen und hatten seine Ankunft verkündet. An der Mündung des 
kleinen Flusses Borne, welcher die christlichen und heidnischen Friesen trennt, 
landeten die Fahrenden kurz vor dem bestimmten Tage in einer Bucht, wo 
die Flut einen Wall von zugetriebenen Baumstämmen aufgehäuft hatte. 
Der Erzbischof stieg an das Land, wählte die Lagerstätte und umschritt 
weihend den Raum. Ingram ließ die Zelte aufschlagen, den Graben schütten 
und das angeschwemmte Holz zum Walle schichten. 
Als er beim Walle stand, die Richtung maß und selbst die Pfähle 
schlug, ging Herr Winfried bei ihm vorüber und sprach: „Du mühst dich 
emsig, uns mit Holz und Erde zu umschanzen, hast du auch darum gesorgt, 
einen über uns nach seinem Willen zu fragen? Denn er zieht die Schild— 
burgen und verwirft sie, ganz nach seinem Gefallen.“ 
„Zürne nicht, Herr, daß ich den Hammer bis über das Abendgebet 
schwinge; denn Warnung kam mir von den Leuten am Ufer, vieles Raunen 
und wildes Gemurr verstört die Dörfer der Heiden, und klein ist die Zahl 
der Schilde, welche dein Haupt schützt.“ 
Winfried aber hörte gar nicht darauf, sondern fuhr fort, nach dem 
Himmel blickend: „Dichter standen die Bäume im Lande der Thüringe. 
Dort warst du der erste, welcher mir auf der Reise die Nachtpfähle hieb. 
Damals fiel der Eschensame herab auf den Boden, und der Same heil— 
bringender Lehre sank in dein Herz. Sieh, ein neuer Baum ist im Schutze 
Gottes erwachsen, nicht die unholden Schicksalsfrauen schweben darum, 
sondern hohe Engel, die geflügelten Boten Gottes; vielleicht, daß sie auch 
dir, jetzt oder bald, einmal eine gnadenvolle Auffahrt bereiten.“ 
Er segnete ihn und schritt in sein Zelt zurück, das inmitten der 
andern sich stattlich erhob. Ingram legte den Hammer weg, er rüstete 
sich und setzte sich mit Schild und Speer an das Lagerthor zur Nacht— 
wach. Über die weite Ebene spähete sein Blick; gleich dem Herrn Winfried 
sah er nach der Abendröte, welche vom Norden her so hell schien, wie er sie 
noch niemals geschaut hatte. Er dachte an sein Weib und die blühenden 
Kinder, die jetzt daheim in Frieden schliefen, und die er so herzlich lieb 
gehabt, er überlegte das ganze glückliche Leben, das er mit seiner Hausfrau 
geführt, seine ruhmvollen Kriegsfahrten und das Lob seiner Kriegsgesellen, 
und er lachte und segnete in Gedanken alle Häupter der Seinen und betete 
für jedes; leicht war ihm das Herz, und er sah immer wieder nach dem 
Himmelsbrande, wo die Röte langsam nach Osten zog, bis die Helle im 
Osten aufstieg und die kleinen Wolken rosig leuchteten wie ein Thor der 
aufgehenden Sonne. Da erkannte er, wie das Thor geöffnet wurde, durch 
das er selbst hinaufsteigen sollte zu der Burg des Himmelsherrn als einer 
seiner Krieger, und er kniete nieder und sprach das Gebet, welches ihn 
Walburg gelehrt.
	        
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