Full text: Oberstufe, Oberabteilung, (1. Klasse der Berliner Gemeindeschule) (Teil 5, [Schülerband])

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Hugenotten in Frankreich, die Protestanten im Deutschen Reiche beliebt wird, 
hat meine Billigung nicht, und ich unterwerfe mich kaiserlichem Willen nur, 
wenn es dem Wohle des Deutschen Reiches gilt, sonst niemals, Herr Marquis. 
Die Flüchtlinge aus Frankreich stehen unter meinem Schutze, und man soll 
es wagen, sie demselben zu entreißen! Oh —“ fuhr er, heftig werdend, 
fort, „wollte der Himmel, die Herren zu Wien sähen ein, daß es nur zum 
Heile des Vaterlandes ist, wenn ich also handle. Noch ist es nicht an der 
Zeit, aber sie wird kommen, die Zeit, wo man sagt: der Kurfürst von 
Brandenburg that wohl daran, daß er sich nicht den Forderungen von Paris 
und Wien unterwarf. Wenn Kaiserliche Majestät es nicht wagen — nicht 
wagen wollen, die Flüchtlinge zu schützen: Ich wage es!“ rief er mit 
donnernder Stimme. „Und dieses Wagnis geschieht nicht nur um der Ver— 
triebenen willen, es geschieht für das Ansehen des Deutschen Reiches, das 
sich nicht beugen und schrecken lassen soll, wenn ein Brief von Frankreich 
erscheint und Seiner Majestät Ludwigs des Vierzehnten Unbehagen darüber 
ausdrückt, daß wir die Vertriebenen aufnehmen. Ist man zu Wien mit der 
ganzen Heeresmacht kleinmütig — zu Berlin ist man es nicht. Melden 
Sie das Seiner Majestät; ich beauftrage Sie, Herr Marquis, und damit 
sind wir für heut wohl fertig.“ 
Er wandte sich mit schneller Gebärde ab. Rebenac hatte nichts zu 
erwidern; er verbeugte sich und verließ den Saal. 
Die Minister und Räte umringten den Kurfürsten, der in großer Er— 
regung auf- und niedergeschritten war. 
„Gnädigster Herr“, sagte Grumbkow, „Sie sind mächtig bewegt — 
dieser heftige Auftritt hat Ihre Nerven gewaltig erschüttert.“ 
„Nicht allzusehr — nicht allzusehr“, sagte der Kurfürst, dem Getreuen 
die Hand reichend. „Mir ist wohl. Ich habe schon längst auf den Augen⸗ 
blick gewartet, wo ich wieder einmal meinem Herzen Luft machen konnte.“ 
Er atmete freier, seine Blicke waren heitrer geworden. „Heut früh“, sagte 
er mit Lächeln, „hat mir dieser Herr Marquis die Jagdpartie verdorben. 
Ein schöner Hirsch ist mir durchgebrochen, ich konnte ihn nicht abfangen, 
dafür habe ich Herrn von Rebenac den Fang gegeben; ich bin nicht um die 
Beute gekommen, ich gewinne doppelt, einmal wird der Herr in Paris doch 
zur Besinnung gelangen; dann habe ich wieder ein Häuflein guter Leute 
gewonnen. Wo sind die Refugiés?“ 
Die Thüren öffneten sich, und die Deputation der Refugiés wurde in 
den Saal geführt. Es waren Männer von stattlichem Ansehen, das nicht 
gemindert wurde durch die einfache Kleidung, die sie trugen. Auf ihren 
Gesichtern lagerten sich Schmerz und Besorgnis. Als sie dem Kurfürsten 
gegenüber traten, beugten sie die Knie, aber Friedrich Wilhelm trat schnell 
zu ihnen, erhob sie und sagte: „Nur vor Gott knien, meine Freunde! Ich bin 
nur sein schwaches Werkzeug zu eurer Hilfe. Ihr seid mir willkommen.“ 
Er hatte diese Anrede in trefflichem Französisch gehalten. Die Re— 
fugies, welchen die Laute der Muttersprache wie ein willkommener Gruß 
zum Ohre drangen, richteten sich empor, und als sie diese edle Gestalt, dieses 
hochwürdige und doch so freundliche Antlitz erschauten, da war alle Sorge
	        
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