130 oovvovve
7. Weil erschlagen er den Bruder
einst in seines Zornes Hast,
ließ er aus dem Schwerte schmieden
jenen Ring, der ihn umfaßt.
Fern vom Herde, fern vom Hofe
Handert er und will nicht Rast,
bis ein himmlisch Gnadenwunder
sprenget seine Kettenlast.
8. Trüg' er Sohlen auch von Eisen,
wie er wallet ohne Schuh,
lange hätt' er sie zertreten,
und noch ward ihm nirgend Ruh.
Nimmer findet er den Heil'gen,
der an ihm ein Wunder tu';
alle Gnadenbilder sucht er,
keines winkt ihm Frieden zu.
Nicht betritt sein Fuß die Hallen,
drin der Jungfrau Bild sich zeigt
farbenhell im Strahl der Sonne,
die zum Meere niedersteigt.
10. Welche Glut ist ausgegossen
über Wolken, Meer und Flur!
Blieb der goldne Himmel offen,
als empor die Heil'ge fuhr?
Blüht noch auf den Rosenwolken
ihres Fußes lichte Spur?
Schaut die Reine selbst hernieder
aus dem glänzenden Azur?
11. Alle Pilger gehn getröstet,
aur der eine rührt sich nicht,
liegt noch immer an der Schwelle
mit dem bleichen Angesicht;
fest noch schlingt um Leib und Glieder
sich der Fesseln schwer Gewicht:
aber frei ist schon die Seele,
schwebet in dem Meer von Licht.
9. Als nun der den Fels erstiegen
und sich an der Pforte neigt,
tönet schon das Abendläuten,
dem die Menge betend schweigt.
91. Das Schloß am Meer.
Von Ludwig Uhland.
1. Hast du das Schloß gesehen,
das hohe Schloß am Meer?
Golden und rosig wehen
die Wolken drüberher.
5. „Die Winde, die Wogen alle
lagen in tiefer Ruh;
einem Klagelied aus der Halle
hört' ich mit Tränen zu.“
2. Es möchte sich niederneigen
in die spiegelklare Flut,
es möchte streben und steigen
in der Abendwolken Glut.
6. Sahest du oben gehen
den König und sein Gemahl?
Der roten Mäntel Wehen,
der goldnen Kronen Strahl?
3. „Wohl hab' ich es gesehen,
das hohe Schloß am Meer,
und den Mond darüberstehen
und Nebel weit umher.“
7. Führten sie nicht mit Wonne
eine schöne Jungfrau dar,.
herrlich wie eine Sonne,
flrahlend im goldnen Haar?
4. Der Wind und des Meeres
Wallen,
gaben sie frischen Klang?
Vernahmst du aus hohen Hallen
Saiten und Festgesang?
8. „Wohl sah ich die Eltern beide
ohne der Kronen Licht
im schwarzen Trauerkleide;
die Jungfrau sah ich nicht.“