Full text: Oberstufe, Unterabteilung (Teil 4, [Schülerband])

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Nachricht flog Gotzkowsky aufs Rathaus, wo ihn der versammelte Magistrat 
wie einen Engel empfing. 
Die Ruffen wollten mit niemand als mit Gotzkowsky zu tun haben, 
der Tag und Nacht auf den Straßen zubrachte, jeden Unfug den Befehls— 
habern anzeigte, viel Unglück verhinderte und die Leidenden tröstete. 
Am 10. Oktober sollten auf Befehl des Generals Fermor alle könig— 
lichen Fabriken in der Stadt geplündert und hernach zerstört werden. Aus— 
drücklich bezeichnet waren das sogenannte Lagerhaus, welches den preußischen 
Truppen das Tuch lieferte, und die Gold- und Silbermanufaktur. Gotz— 
kowsky erfuhr es in der Nacht, eilte zu Tottleben und stellte ihm vor, daß 
diese Fabriken nicht dem Könige gehörten und daß deren Ertrag in keine 
einzige seiner Kassen flösse, sondern daß ihre Einkünfte zum Unterhalt des 
großen Waisenhauses in Potsdam verwendet würden. Gotzkowsky mußte 
diese Versicherung schriftlich mit einem Eide bestätigen, und nun waren 
diese Fabriken gerettet. 
Das prachtvolle Zeughaus aber, ein Meisterstück der neuern Baukunst, 
wollten die Russen in die Luft sprengen. Tottleben mußte hierin nachgeben, 
und nur der Umstand, daß man kein Pulver überflüssig hatte, rettete das 
Arsenal. Man begnügte sich, es auszuräumen, und was nicht fortgebracht 
werden konnte, zu zerschlagen, zu verbrennen oder ins Wasser zu werfen. 
Das königliche Gießhaus, die Münzmaschinen, die Pulvermühlen und alle 
königlichen Fabriken wurden zerstört, sowie alle königlichen Kassen mit 
einem Vorrat von mehreren hunderttausend Reichstalern weggenommen 
und alle Magazine ausgeleert. 
Es wurde in der ganzen Stadt angesagt, daß alle Einwohner bei 
harter Strafe ihre Feuergewehre auf dem großen Schloßplatz zusammen— 
bringen sollten. Dieser Befehl erzeugte eine neue Bestürzung. Die meisten 
glaubten, man wolle sie wehrlos machen, um sie desto leichter plündern und 
morden zu können. Auch gegen diesen Befehl erhob Gotzkowsky wirksame 
Einsprache, so daß nur zum Schein einige hundert alte, unbrauchbare Ge— 
wehre auf den bestimmten Platz gebracht, von den Kosaken zerschlagen und 
sodann ins Wasser geworfen wurden. 
Ein anderer Befehl Fermors betraf eine außerordentliche Kontribution 
der Judenschaft, woftr die wegen ihrer Reichtümer berühmten Juden Ephraim 
und Itzig als Geiseln mitgenommen werden sollten. Auch die Aufhebung 
dieser Forderungen bewirkte Gotzkowsky, erhielt aber dafür, bevor noch ein 
Jahr verfloß, von genannten Juden den auffallendsten Undank zum Lohn 
Es war bei Festsetzung der Kontribution ausbedungen, daß kein Soldat 
in der Stadt einquartiert werden sollte. Lacy aber, der sich bei allen Ge— 
legenheiten als ein unerbittlicher Feind der Preußen zeigte, verspottete diese 
Bedingung und nahm mit einigen Regimentern seines Korps, ganz gegen 
den Willen der Russen, mit Gewalt Quartier in der Stadt, und nun ge— 
schahen die größten Ausschweifungen. Nicht zufrieden mit Essen und Trinken, 
erpreßten die Soldaten von den Einwohnern Geld, Kleinodien, Kleidungs— 
stücke, kurz alles, was nur mit Händen fortgeschleppt werden konnte. Berlin 
wurde auf einmal der Tummelplatz von Kroaten und Husaren, die bei 
hellem Tage in den Straßen und Häusern, wo sie nur hinkamen, raubten,
	        
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