Full text: Mit 42 Abbildungen (Teil 2 = (4. und 5. Schuljahr))

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Endlich trat der Schultheiß hervor und riet, man sollte das Vieh auf 
der Mauer weiden lassen, das würde mit dem Grase wohl fertig werden; 
so dürfe man es weder abmähen noch abschießen. Diesem Rate neigte 
sich die ganze Gemeinde zu, und zum Danke wurde beschlossen, daß 
des Schultheißen Kuh die erste sein sollte, die den guten Rat zu ge— 
nießen hätte. 
2. Darein willigte der Schultheiß mit Freuden. So schlangen sie 
denn der Kuh ein starkes Seil um den Hals, warfen es über die Mauer 
und fingen auf der andern Seite an zu ziehen. Als nun aber der Strick 
zuging, wurde die Kuh erwürgt und reckte die Zunge aus dem Schlunde. 
Als ein langer Schildbürger dies gewahr wurde, rief er ganz erfreut: 
„Ziehet, ziehet nur noch ein wenig!“ und der Schultheiß selbst schrie: 
„Ziehet, sie hat das Gras schon gerochen! Seht, wie sie die Zunge 
danach ausstreckt! Sie ist nur zu tölpisch und ungeschickt, daß sie sich 
nicht selbst hinaufhelfen kann! Es sollte sie einer hinaufstoßen.“ Aber 
es war vergebens, die Schildbürger konnten die Kuh nicht hinaufbringen 
und ließen sie daher wieder herab. Und jetzt wurden sie erst inne, daß 
die Kuh schon lange tot war. 
Gustav Schwab. (Deutsche Volksbücher.) 
166. Vill Eulenspiegel. 
1. Im Munde des Volkes lebt noch jetzt nach mehr als 500 Jahren 
der Name eines durchtriebenen Schalks, namens Till Eulenspiegel. Dieser 
fand seine größte Lust daran, die Welt zu durchwandern, lustige und über— 
mütige Streiche zu verüben und andern einen Schabernack zu spielen, am 
häufigsten dadurch, daß er ihre Aufträge buchstäblich verstand und auch 
buchstäblich ausrichtete. 
2. Ein Barbier, der ihn auf der Landstraße zum Gesellen annahm, 
bezeichnete ihm, weil er nicht selbst gleich nach Hause ging, seine Wohnung. 
„Sieh nur“, sagte er, „nach dem roten Hause an der Ecke des Marktes 
mit den hohen Fenstern von Spiegelglas; da geh nur hinein und warte, 
bis ich komme!“ Till Eulenspiegel bezog die Worte „da geh nur hinein“ 
auf die Fenster; er ging nicht durch die Tür wie andre Leute, sondern 
stieg durch ein Fenster, dessen kostbare Scheiben dabei zerbrochen wurden. 
Als der Herr vernahm, was der neue Gesell vollführt hatte, hieß er ihn 
sofort des Weges gehen, den er gekommen sei. Eulenspiegel brach ein 
zweites Fenster in Stücke, um nur des Weges zu gehen, auf dem er 
gekommen war. 
3. Ein andrer Meister nahm ihn mit den Worten in Dienst, bei 
ihm habe er nur die halbe Arbeit zu tun. Das nahm der Schalk
	        
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