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still, Überraschung und Argwohn in den Zügen. Er umschleicht
auf scheuen Sohlen die Stelle, steht wieder still, legt sieh, lauscht,
wirft die Augen spähend umher, springt vieder auf, um wieder
niederzukauern. Nirgends ein Laut, nur die alten Föhren knarren;
nirgends eine Spur. Er betrachtet den Bissen noch einmal. —
„VWäre es eine Falle? — Die Menschenkinder sind voll Args! Schon
mancher Edle fiel durech ihre List! — Aber nein — hinweg mit
solehen Gespenstern!“ — und im Nu ist aueh der zweite Brocken
hinab.
O Reineke, Reineke! Du bist verloren; — denn dort liegt noch
ein dritter Bissen. In vollen Zügen schlürft der vom Hunger
Gepeinigte den berauschenden Duft, starrt verglasten Blickes auf
die Lockung. Doch der innere Warner erhebt seine Stimme noch
einmal. Und wieder umkreist der Fucehs das leckere Mahl; wieder
duckt er sich, legt das Gehör vorwärts, rückwärts, spitzt es, „Sichert“
allenthalben. Und wieder ist alles stumm; nur die Föhren knarren
noch immer verdrossen. Es ist, als stocke der Atem der Natur.
Der Fuehs fängt an zu überlegen; aber je länger er hinschaut auf
das verhängnisvolle Gericht, desto wirrer werden seine Gedanken,
desto virrer wird sein Blick. Es flimmert ihm vor den Augen, der
Duft betäubt ihn, er kann nicht los, — er mub, und gält' es sein
Leben, er mub hinzu. In einem vilden Satze springt er drauflos,
— da krach! schlägt das Eisen die zerschmetternden Zähne zu—
sammen.
So vwar der Schlaue doch nicht schlau genugl Er heult vor
WVut; aber es ist nicht Zeit zu ohnmächtiger Klage, denn Gefahr
droht im Verzuge; es gilt eine kühne Tat.
Das Eisen zerschlug ihm den Lauk;
siceh zu retten, gibt er ihn auf,
amputiert sieh selbst, wie grimmig es schmerze;
er hat ein entschlossenes. tüchtiges Herze.
Waube.)
Einmal gefangen, denkt er, und nicht vieder! Und er jagt davon,
leicht und frei, „als hätte er eben nur den Stiefel ausgezogen“.
Das ist Reineke, der Held!
Hermann Masins. Maturstudien.)