Full text: Mit 51 Abbildungen (Teil 2 = (4. und 5. Schuljahr), [Schülerband])

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sah gerade bei meinem letzten Besuch in dem Gestüt auch einen wunder— 
vollen Rappen, der als Leibpferd für den Kaiser bestimmt war. Der 
Rest des Jahrganges nebst den sonstigen ausgemusterten Mutterstuten 
wird dann zur Auktion gestellt. 
Solch eine Auktion in Trakehnen ist ein Ereignis für die ganze 
Provinz, in der ja, wie man sagt, jeder zehnte Mensch Pferdezüchter oder 
Pferdehändler, jeder zweite aber ein leidenschaftlicher Pferdeliebhaber ist. 
Von nah und fern finden sich an dem lange vorher bekannt gemachten 
Tage des Mai die Kauf- und Schaulustigen ein, die benachbarten Guts— 
besitzer und die Offiziere der nächsten Garnisonen mit ihren Damen. Dazu 
kommen die Händler aus den ostpreußischen Städten, aus Berlin und 
vielfach aus dem Auslande, die pferdezüchtenden Bauern, die Liebhaber 
aus Insterburg, Königsberg, Memel. Am meisten begehrt sind die wert— 
vollen, für Zuchtzwecke verwendbaren Mutterstuten, die meist von öst— 
preußischen Züchtern gekauft werden. Aber auch das übrige Gebrauchs— 
material erzielt hohe Preise; ein Pferd, welches das Elchgeweih von 
Trakehnen als Brandzeichen trägt, ziert ja jeden Stall. 
In den langen Wintermonaten stehen die Pferde im Stalle, werden 
aber fleißig bewegt, bis der Juni sie wieder auf die Weide führt. Dann 
beginut die goldene Zeit der Freiheit aufs neue, die das Trakehner Pferd 
so überaus leistungsfühig und verhältnismäßig hart auch gegen die Ein— 
flüsse der Witterung macht. Daß es das ist, hat ihm neben allen andern 
guten Eigenschaften auch den hohen Ruf als Soldatenpferd erster Klasse 
erworben, der von ihm aus auf die ganze ostpreußische Zucht überge— 
gangen ist. 
Hanns von dobeltki. (Velhagen und Klasings Monatshefte.) 
125. Im Dorfe der Kohlenbrenner.“ 
Michel, sstehe auf, es ist Zeit anzuspannen!“ rief Onkel Radtke 
von der Leiter seinem Sohlne zu, der auf dem Heuboden noch sein 
Mittagsschläfehen hielt. Er hatte in der vorigen Nacht an dem aus- 
gebrannten Koblenbaufen Wache halten müssen. Auf dem Hofe 
Ftand em grober Wagen mit Koblen hoch beladen, die in Stroh wohl 
verpacat varen. Onkel Radtke hatte die Pferde gefüttert und geputzt, 
Tante Minna die aus Bast geflochtene Reisetasche, „Lischke ge— 
nannt, mit allerlei Ebwaren gut vollgepackt. Denn der Weg nach 
Kõönigsberg, vohin Michel die Koblen bringen sollte, var lang. Und 
ein sparsamer Litauer nimmt in seiner Läschke auch noch so viel 
Wurst, Speck, Brot usw. mit, daß er in der teuern Stadt nicht 
vom „reinen Gelde“ zu leben braucht.
	        
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