Full text: Mit 51 Abbildungen (Teil 2 = (4. und 5. Schuljahr), [Schülerband])

— 
enger drängen die Unglücklichen sich zusammen. In der Finsternis sieht keiner 
das entsetzenbleiche Antlitz des andern, im Donnergeroll der tobenden Wogen 
verhallt das bange Gestöhn; aber jeder kann an seiner eigenen Qual die 
marternde Angst seiner Lieben ermessen. 
Der Mann preßt das Weib, die Mutter ihre Kinder mit verzweiflungs⸗ 
voller Todesgewißheit an sich. Die Bretter unter ihren Füßen werden von 
der drängenden Flut gehoben, aus allen Fugen quellen die Wasser auf. Das 
Dach wird durchlöchert vom Wogensturz; ein irrer Mondstrahl dringt durch 
die zerrissenen Wolken und fällt hinein auf die Jammerszene, die, von seinem 
bleichen, zuckenden Lichte beleuchtet, in all ihrer Furchtbarkeit erscheint und 
die angstverzerrten Gesichter erkennen läßt. Da kracht ein Balken. Ein 
furchtbarer Schreckensruf! Noch eine martervolle Minute!l Noch eine! Der 
Dachboden senkt sich nach einer Seite; ein neuer Flutenberg schäumt herauf, 
und — im Sturmgeheul verhallt der letzte Todesschrei. Die triumphierenden 
Wogen schleudern einander Trümmer und Leichen zu. — 
8. Dennoch liebt der Halligbewohner seine Heimat, liebt sie über alles, 
und der aus der Sturmflut Gerettete baut sich am liebsten wieder auf dem 
Flecke an, wo er alles verlor, und wo er in kurzem wieder alles und sein 
Leben mit verlieren kann. 
Um die Bewohner der noch vorhandenen zwölf Halligen, die zusammen 
nur noch eine Grundfläche von etwa 1500 Hektar haben, vor diesem Schicksal 
zu bewahren, läßt die preußische Regierung die abbrüchigen Ränder der Halligen 
in neuerer Zeit durch Feldsteinbauten gegen die beständig nagenden und ab— 
spülenden Fluten des Meeres schützen. Auch werden jetzt Dämme durch das 
Watt von Hallig zu Hallig oder von dieser zum Festlande gebaut, um durch 
den Niederschlag der erdigen Bestandteile des trüben Wattenmeeres hinter diesen 
Dämmen allmählich neues Marschland entstehen zu lassen und so dem 
Meere in jahrhundertelanger Arbeit wieder zu entreißen, was es einst in 
wenigen Schreckenstagen geraubt hat. 
Nach Johann Christoph Biexnattkt. (Die Hallig.) 
139. Der Halligmatrose. 
1. „Kapitän, ich bitt' Euch, laßt mich fort, 
o lasset mich frei, sonst lauf' ich von Bord; 
ich muß heim, muß heim nach der Hallig! 
Schon sind vergangen drei ganze Jahr', 
daß ich stets zu Schiff, daß ich dort nicht war, 
auf der Hallig, der lieben Hallig.“ —
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.