Full text: (Für das 2. und 3. Schuljahr) (Teil 1, [Schülerband])

VIIL 
realistisch⸗heimatkundliche Ausbeute, wenn auch selbstverständlich nicht 
mit strenger Ausschließlichkeit, sondern mit mannigfachen Beziehungen 
herüber und hinüber. Die geschichtlichen Stoffe, die ja auf dieser 
Stufe nicht eigentlich als wesentlicher Bestandteil des Lesebuchs, sondern 
mehr als erwünschte Zugabe auftreten, haben dabei unter der Über— 
schrift: „Vaterländische Gedenktage“ in der Abteilung „Jahreslauf“ 
einen zwar etwas unorganischen, aber immerhin doch nicht unmoti— 
vierten Anschluß gefunden. 
Die weiteren Bände werden eine ähnliche, natürlich entsprechend 
abgewandelte und erweiterte Gliederung erhalten. Ob für den letzten 
Band, der nur für die Oberstufe von Mittelschulen bestimmt ist, statt 
der sachlichen Gliederung nicht besser die bisherige literarhistorisch— 
chronologische Stoffanordnung beizubehalten ist, wird noch weiter er— 
wogen werden. 
Die Erörterungen über die Stoffauswahl werden mit einigen 
theoretischen Bemerkungen über Wesen und Zweck des Lesebuchs 
beginnen müssen. Ich halte mit Überzeugung an seinem literarisch— 
ästhetischen Charakter fest. Es ist das auch der einzige Weg, 
um zu einer einheitlichen und widerspruchsfreien Begriffsbestimmung 
des Lesebuchs zu kommen. Dieses soll — innerhalb der Grenzen kind— 
licher Auffassungskraft — einführen in die weiten Tempelhallen der 
deutschen Literatur, soweit sie künstlerische Maßstäbe verträgt, die 
Mode des Tages überdauert und als ein Spiegelbild deutschen Wesens, 
als eine Kristallisation deutschen Geisteslebens sich kennzeichnet. Das 
Lesebuch ist somit in stofflicher Hinsicht durch keine fachwissenschaft— 
lichen Grenzlinien beschränkt. Sein Gebiet ist — soweit kindlicher Er— 
kenntnis erreichbar — der weite Bereich des ganzen Natur- und 
Menschenlebens, eingetaucht in eine christlich-ethische und deutsch— 
nationale Weltanschauung. Nicht aber soll das Lesebuch „Mädchen 
für alles“ sein, nicht soll es den einzelnen Zweigen des Sachunterrichts 
als Lernhilfe und Wiederholungsbuch dienen, auch in der einfachen 
Schule nicht, am wenigsten aber in voll gegliederten Schulanstalten. 
Bedarf der Sachunterricht solcher Lernhilfen — eine Frage, die hier 
nicht zur Entscheidung steht — so ist dafür anderweitig Sorge zu 
tragen. Das Lesebuch als eine Auslese des muttersprachlichen Schrift— 
tums hat höhere und dringendere Aufgaben, ganz abgesehen davon, 
daß es derartige subalterne Dienstleistungen ohnehin nur für einen 
kleinen Bruchteil der weiten sachunterrichtlichen Stoffgebiete beiläufig 
mitzubesorgen vermöchte. Gewiß soll das Lesebuch auch dem Real— 
unterrichte Handreichung tun, aber nicht durch Darbietung von Lehr— 
stoffen. Mit literarisch wertvollen Begleitstoffen soll es den Sach— 
unterricht beschenken, mit Stoffen, die nicht sowohl auf positiven
	        
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