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realistisch⸗heimatkundliche Ausbeute, wenn auch selbstverständlich nicht
mit strenger Ausschließlichkeit, sondern mit mannigfachen Beziehungen
herüber und hinüber. Die geschichtlichen Stoffe, die ja auf dieser
Stufe nicht eigentlich als wesentlicher Bestandteil des Lesebuchs, sondern
mehr als erwünschte Zugabe auftreten, haben dabei unter der Über—
schrift: „Vaterländische Gedenktage“ in der Abteilung „Jahreslauf“
einen zwar etwas unorganischen, aber immerhin doch nicht unmoti—
vierten Anschluß gefunden.
Die weiteren Bände werden eine ähnliche, natürlich entsprechend
abgewandelte und erweiterte Gliederung erhalten. Ob für den letzten
Band, der nur für die Oberstufe von Mittelschulen bestimmt ist, statt
der sachlichen Gliederung nicht besser die bisherige literarhistorisch—
chronologische Stoffanordnung beizubehalten ist, wird noch weiter er—
wogen werden.
Die Erörterungen über die Stoffauswahl werden mit einigen
theoretischen Bemerkungen über Wesen und Zweck des Lesebuchs
beginnen müssen. Ich halte mit Überzeugung an seinem literarisch—
ästhetischen Charakter fest. Es ist das auch der einzige Weg,
um zu einer einheitlichen und widerspruchsfreien Begriffsbestimmung
des Lesebuchs zu kommen. Dieses soll — innerhalb der Grenzen kind—
licher Auffassungskraft — einführen in die weiten Tempelhallen der
deutschen Literatur, soweit sie künstlerische Maßstäbe verträgt, die
Mode des Tages überdauert und als ein Spiegelbild deutschen Wesens,
als eine Kristallisation deutschen Geisteslebens sich kennzeichnet. Das
Lesebuch ist somit in stofflicher Hinsicht durch keine fachwissenschaft—
lichen Grenzlinien beschränkt. Sein Gebiet ist — soweit kindlicher Er—
kenntnis erreichbar — der weite Bereich des ganzen Natur- und
Menschenlebens, eingetaucht in eine christlich-ethische und deutsch—
nationale Weltanschauung. Nicht aber soll das Lesebuch „Mädchen
für alles“ sein, nicht soll es den einzelnen Zweigen des Sachunterrichts
als Lernhilfe und Wiederholungsbuch dienen, auch in der einfachen
Schule nicht, am wenigsten aber in voll gegliederten Schulanstalten.
Bedarf der Sachunterricht solcher Lernhilfen — eine Frage, die hier
nicht zur Entscheidung steht — so ist dafür anderweitig Sorge zu
tragen. Das Lesebuch als eine Auslese des muttersprachlichen Schrift—
tums hat höhere und dringendere Aufgaben, ganz abgesehen davon,
daß es derartige subalterne Dienstleistungen ohnehin nur für einen
kleinen Bruchteil der weiten sachunterrichtlichen Stoffgebiete beiläufig
mitzubesorgen vermöchte. Gewiß soll das Lesebuch auch dem Real—
unterrichte Handreichung tun, aber nicht durch Darbietung von Lehr—
stoffen. Mit literarisch wertvollen Begleitstoffen soll es den Sach—
unterricht beschenken, mit Stoffen, die nicht sowohl auf positiven