Full text: (Für das 2. und 3. Schuljahr) (Teil 1, [Schülerband])

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wo es sein wird. Da wache ich eines Morgens auf, und es ist kaum 
hell geworden, und ich denke bei mir: „Wie kommt es denn, daß du 
zu so früher Zeit erwachst? — Was hat dich denn geweckt?“ — Und 
wie ich noch liege und lausche, da höre ich gar merkwürdige Töne von 
draußen zu mir dringen, und augenblicklich weiß ich, daß sie wieder 
da sind, die ersten Frühlingsboten. 
3. Aber ich könnte mich geirrt haben und kleide mich deshalb schnell 
an und gehe hinunter in den Garten und spähe umher, um sie auch 
mit den Augen zu sehen. Und richtig! Da sitzt einer der jubelnden 
Gesellen auf dem höchsten Zweige des Pflaumenbaumes in meinem 
Garten, und zwei andere sitzen auf dem Schornsteinrand des Nachbar⸗ 
hauses. Da sitzen sie und sehen mit ihren kleinen glänzenden, schwarzen 
Auglein zu dem grauen Himmel hinauf, an dem die Wolken dahin— 
jagen, und pfeifen und zwitschern und schnalzen und quirlen und jubeln 
in einem fort, in einem fort. Als ob sie ganz von Sinnen wären, so 
stellen sie sich an; sie schlagen mit den Flügeln, sie drehen und wenden 
das Köpfchen nach allen Seiten, sie rücken hin und her. Ob das Vor⸗— 
freude ist auf die schöne Zeit, der wir nun entgegengehen? Oder ist 
es die Freude über die glückliche Rückkehr in die alte Heimat? Wohl 
beides; jedenfalls wissen sie sich vor Freude gar nicht zu lassen. 
4. Und dann gehe ich zur Schule und lausche auf dem Wege nach 
allen Dächern hinauf und zähle die Stare, die auf den Schornsteinen 
sitzen. 
5. Und wahrlich, das muß ein schlechter oder ein ganz stumpf⸗ 
sinniger Mensch sein, der sich nicht über die zurückgekehrten Stare 
freut. Sie sind die ersten Boten des Frühlings, die uns von den 
Dächern herunter zusingen, daß das Reich des Winters vorbei ist. 
Freilich kommen sie manchmal zu zeitig, und der Winter verjagt sie 
wieder mit heftigen Schneeschauern oder eisigem Winde. Ja, wenn 
es ihnen bei uns noch zu unfreundlich ist, dann verschwinden sie 
plötzlich wieder auf einige Zeit. 
6. Ist aber das Wetter wärmer geworden, dann sehen sie sich 
nach einer Wohnung um. Astlöcher, hohle Stellen in alten Bäumen 
werden aufgesucht und für den Nestbau eingerichtet. Ebenso gern aber 
ziehen sie auch in die ihnen von den Menschen zurechtgezimmerten 
Staͤrkasten. Freilich, wenn solch ein Starkasten noch vom Vorjahre 
her am Baume hängt, kann man sicher sein, daß er den ganzen Winter 
uͤber auch bewohnt gewesen ist. Natürlich vom Spatz. Der tut sich nun, 
da sich die Stare auf die Wohnungssuche begeben, als ob er der Eigen⸗ 
lümer waäre. Breit und behäbig sitzt Herr Spatz auf der Stange vor 
dem Flugloch und leidet nicht einmal, daß die Wohnung von den 
Fremden besehen wird. — Da gibt's gar oft Zank und Streit um
	        
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