Full text: Mit 44 Abbildungen (Teil 2 = (4. und 5. Schuljahr), [Schülerband])

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Die kleinen Singvögel brüten unverdrossen das Kuckucksei mit aus und 
füttern den jungen Kuckuck wie ihre eigenen Kinder mit Insekten groß. 
Doch der junge Kuckuck, der seine Stiefgeschwister bald an Größe überragt, 
schnappt ihnen schreiend jeden Bissen weg. Die armen, kleinen Nestbrüder 
verkümmern daher nicht selten; ja wenn er größer geworden ist, und der 
Platz ihm zu eng wird, wirft er sie unbarmherzig hinaus. Dann kommen 
sie im nassen, kalten Grase um oder werden von Katzen und Wieseln 
gefressen. 
6. Je größer der junge Kuckuck wird, desto unartiger zeigt er sich. 
Er gehorcht seinen Stiefeltern nicht und beträgt sich sehr schlimm gegen 
seine Wohltäter. Außerordentlich groß ist seine Freßgier, und nicht selten 
erfaßt er den Kopf des Vögleins mit seinem Schnabel, wenn er den 
Wurm erschnappen will, den dieses ihm bietet. Sind ihm endlich Federn 
und Flügel gewachsen, so wagt er sich aus dem Neste, das ihm jetzt viel 
zu eng ist, hüpft von Zweig zu Zweig, und seine Pflegeeltern tragen ihm 
trotz seiner Unart noch emsig Futter zu, bis er, seiner eigenen Flügel hin— 
länglich mächtig, sich selbst die Nahrung suchen kann. So erziehen die 
kleinen Vogel des Waldes dem alten Kuckuck die Kinder, ohne Dank da— 
für zu ernten. 
Der junge Kuckuck lernt also nie Vater noch Mutter kennen; denn bald 
ziehen diese hinweg nach andern Ländern, in die kein Winter kommt, und 
wo ihnen die Nahrung nicht fehlt. Im Herbste finden sich auch die jungen 
Kuckucke zusammen; sie machen sich auf die Reise und bleiben so lange 
entfernt, bis bei uns von neuem ihr Tisch vom Frühling gedeckt ist und 
ihr vielbedeutender Ruf uns aus den Winterstuben hinaus in den Wald 
lockt, Kuckucksblumen zu suchen. 
Nach Hermann Wagner. Giographien aus dem Naturleben. 
63. Das Vogelnest. 
1. In einem Fliederbaume hatte sich ein Vogelpärchen sein Heim 
eingerichtet. Das Weibchen saß im Nest, und das Männchen stand auf 
einem Zweige nahe dabei und sang unter den duftenden Blüten sein 
Kiedchen. 
Da streckte sich eine kleine Hand nach dem Nest aus. Das Lied 
verstummte, und beide Vögelchen stießen ein jämmerliches Angstgeschrei 
aus. Das Männchen flatterte wild umher, als wollte es sich dem Feind 
entgegenstürzen; aber das Weibchen breitete die Flügel aus und sah mit 
angsterfüllten, flehenden Blicken den Jungen an, der nach seinem Neste griff. 
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