52 —
2958
t
es los. Die Soldaten müssen antreten, die Beamten Bücher und Kassen
aufmachen, die Prediger ihre Listen vorlegen, die Schullehrer genau be—
richten, wie es mit den Jungen steht. In Cüstrin galt es, eine Militär—
besichtigung zu halten. In der Morgendämmerung fuhr der König in
die Stadt. Zehn Minuten darauf Alarm, Wirrwarr und Spektakel; eine
halbe Stunde später stand die ganze Besatzung unter Gewehr. Als ich
um sechs Uhr beim Exerzierplatz am Tore vorbeikutschierte, war der König
noch zwischen den Reihen der Soldaten und untersuchte jedes Mannes
Uniform genau bis auf den letzten Gamaschenknopf. Weil ich nun
fürchtete, Seine Majestät möchten mich in meiner schwarzen Amtstracht
als einen Beamten erkennen und ein Examen mit mir anstellen, so trieb
ich den Kutscher zur größten Eile an und kam glücklich davon. In Neu—
damm hörte ich, daß der König um sieben Uhr seine Besichtigung der
Soldaten beendet haben werde und irgend eine andre Stadt durch seinen
Besuch erschrecken wolle.“
Der Rat lächelte wieder. „Wir werden ja hören, wohin Seine Majestät
sich gewandt haben,“ sagte er; „meist sind es doch nur Stellen, die
einer Inspektion bedürfen.“ — ‚„O nein, Ehren,“ erwiderte Glockner, „der
König macht keine Ausnahmen. Nach seiner Ansicht kann jeder Mensch
ein Betrüger sein. Es kann jeder an die Reihe kommen.“ — „Nun, wir
werden ja sehen, wen die königliche Revision treffen wird“, rief Happelius.
„Ah, da kommt der Hammelbraten“, setzte er schmunzelnd hinzu, als die
Köchin mit der großen, blau geblümten Schüssel erschien, auf welcher der
Braten dampfte.
3. In diesem Augenblick stürzte der Amtsdiener in den Flur und
rief: „Der König kommt!“ Da donnerte schon mit großem Gerassel ein
Wagen die Gasse herab und hielt vor dem Amtsgebäude. Die Flurtür
wurde gebffnet, und die erschrockene Tischgesellschaft sah den König nebst
zwei Offizieren eintreten. „Guten Tag!“ rief der König, seinen Hut
lüftend, „da wären wir ja — gerade zur rechten Zeit! Potztausend, es
riecht gut — hm — Hammelbraten mit Rüben! Die Hand her, lieber
Rat, ich bin wahrhaftig recht hungrig. Geb Er mir zu essen, Happelius!“
Er nahm sofort am Tische Platz. „Frau Rätin,“ fuhr er fort, „Ihre
Hand! Nichts für ungut! Das sind Happeliusse?“ rief er, auf die
Kinder deutend, „die sehen ja alle recht wohlgenährt aus; muß hier gut
zu leben sein. Lernen die Jungens ordentlich?“ — „Sie geben Hoffnung
zum Gedeihen“, sagte Happelius. „Und die Mädels? Stricken, kochen,
backen sie?“ — „Gewiß — und recht gut“, sagte die Rätin. „Freut
mich. Laß Er nur den Jungens nicht so viel französisches Zeug in den
Kopf bringen; ich kann die Franzosen nicht leiden.“