80. Am Starenhäuschen.
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Von Stephan Reinke.
Munen Fenster gegenüber hängt ein Starenkasten. Es ist
ein prächtiger Kasten. Er ist rundum mit Rinde umbleidet;
eine abgeschrägte Decke bildet das Dach; dicht darunter ist
ein kreisrundes Eingangsloch und davor ein kleiner Holzpflock
zum Ausruhen und Singen für den Bewohner. Des Nachbarn
kleiner EFritz hat den Kasten während der langen Winter—
abende gezimmert, und der Vater hängte ihn im Anfang des
Frühjahrs an der Ostwand des Hauses auf. Schon am folgen—
den Tage saß ein Star auf dem Häuschen und beschaute es
von oben bis unten mit prüfenden Blicken; dann schlüpfte er
durch das Eingangsloch und besah sich die Einrichtung von
innen. Nach einiger Zeit kam er wieder heraus, schlug mit den
Flügeln, sang und pfiff und trippelte vor Freude von einem
Bein aufs andere. Die Wohnung mußte ihm ausgezeichnet
gefallen.
Nun ging's ans Arbeiten. Stroh, Gras, Federn und Bind-
fäclen wurden herangeschleppt, und nach 14 Tagen wurde es le—
bendig im Starenhäuschen. Fünf kleine Stare reckten die Hälse
und schrien nach Futter. Da fing für die glücklichen Staren—
eltern ein ganz neues Leben an; sie wurden Feldpolizisten.
Das war für das fliegende und kriechende Gesindel in Garten,
Feld und Wiese eine böse Zeit; kein Käfer am Baum, keine
Raupe am Blatt war vor diesen kleinen schwarzen Augen
sicher.
Hast du schon einmal darüber nachgedacht, was so eine
Starenfamilie in einem Sommer fressen mag, und welchen Nutzen
so ein einziges Starenpärchen mit seinen Jungen uns Menschen
bringen kann? Ein gelehrter Mann hat das beobachtet und
einmal ausgerechnet.
Die alten Vögel bringen in der Regel vormittags alle drei
Minuten Futter zum Nest, nachmittags alle fünf Minuten, macht
jeden Vormittag in sieben Stunden 140 fette Schnecken, Raupen
oder Maden, nachmittags 84. Für die beiden Alten darf man
auf die Stunde wenigstens zusammen 10 Schnecken rechnen.
macht in 14 Stunden 140. Im ganzen werden also von der
Familie täglich 364 fette Schnecken oder andere Schädlinge
vertilgt. Die Stare sind etwa 200 Tage bei uns. Der Schaden,
den eine Raupe oder Schnecke in ihrem Leben anrichtet, wird
einen halben Pfennig betragen, und es mögen in Deutschland
drei Millionen Starenfamilien ansãssig sein. Nun können wir