Full text: [Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband])

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den Händeln, die die Edelleute untereinander hatten, wurden die 
wenigen Gerichtshöfe, die über sie urteilen durften, meistens be— 
stochen. Während der letzten Jahre suchten sie ihre Rache lieber 
auf eigene Faust durch Überfall und blutige Hiebe. 
Es war in der Tat ein verlassenes Land ohne Zucht, ohne 
Gesetz, ohne Herrn, das der König übernommen hatte, eine Einöde, 
in der durchschnittlich kaum 15 Menschen auf dem Quadratkilometer 
wohnten. Aber sofort nach der Besitzergreifung begann Friedrich II. 
in seiner großartigen Weise die Kultur des Landes. Gerade die ver— 
rotteten Zustände waren ihm reizvoll. Westpreußen wurde wie bis 
dahin Schlesien fortan sein Lieblingskind, das er mit unendlicher 
Sorge wie eine treue Mutter wusch und bürstete, neu kleidete, zur 
Schule und Ordnung zwang und immer im Auge behielt. 
Eine Schar seiner besten Beamten schickte der König in die 
Wildnis. Das Land wurde in kleine Kreise geteilt, die gesamte 
Bodenfläche in kürzester Zeit abgeschätzt und gleichmäßig besteuert; 
jeder Kreis wurde mit einem Landrat, einem Gericht, mit Post und 
Gesundheitspolizei versehen. Neue Kirchengemeinden traten wie 
durch einen Zauber ins Leben; 187 Lehrer kamen ins Land. Hau— 
fen von deutschen Handwerkern wurden geworben, vom Maschinen— 
bauer bis zum Ziegelstreicher hinab. Überall begann ein Graben, 
Hämmern, Bauen; die Städte wurden neu mit Menschen besetzt, 
Straße auf Straße erhob sich aus den Trümmerhaufen. Neue Ko— 
lonistendörfer wurden ausgesteckt, neue Ackerkulturen befohlen. Der 
Anbau der Kartoffel verbreitete sich schnell; aber noch lange wur— 
den die angeordneten Obstpflanzungen vom Volke zerstört. 
Im ersten Jahre nach der Besitznahme wurde der Bromber— 
ger Kanal gegraben, der in einem Laufe von 26 km die Weichsel 
durch die Brahe, Netze und Warthe mit der Oder verbindet. Ein 
Jahr später sah der König selbst beladene Oderkühne von 37 m 
Länge nach dem Osten zur Weichsel fahren. Durch die neue Was— 
serader wurden weite Landstrecken entsumpft und sofort mit deut— 
schen Ansiedlern besetzt. 
Unablässig trieb der König, er lobte und schalt; wie groß 
auch der Eifer der Beamten war, sie vermochten selten ihm genug zu 
tun. So geschah es, daß in wenig Jahrzehnten das wilde slawische 
Unkraut, das dort auch über deutschen Ackerfurchen aufgeschossen 
war, gebändigt wurde, und daß auch die polnischen Landstriche sich 
an die Ordnung des neuen Lebens gewöhnten.
	        
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