Full text: Fünfzehn Bilder aus der deutschen Geschichte

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zustande. Es war ein stattliches Heer, das die Fürsten zu¬ 
sammenbrachten, wohl an sechsmalhunderttausend Mann im 
ganzen. Die oberste Führung vertrauten sie aber dem 
tapferen Herzog von Lothringen , Gottfried von Beulen, an. 
Das Heer zog durch Deutschland, Ungarn und das griechische 
Kaisertum. Von Konstantinopel setzten sie über die Meer¬ 
enge nach Kleinasien. Gottfried hielt streng aut Ordnung 
und Zucht im Heere; Streit und Zank unter den Kreuz¬ 
fahrern stillte sein Ansehen bald, und wo tapfere Thaten 
geschahen, da war Gottfried dabei. Bei Doryläuin in 
Kleinasien hatte sich ein Türkenheer aufgestellt, aber unter 
Gottfrieds Oberbefehl wurde es bald besiegt. Von Doryläum 
marschierten die Kreuzfahrer nach Tarsus. Bald kamen 
sie in ein liebliches Thal. Sie machten hier Halt, und die 
meisten zogen in die freundlichen Wälder zur Jagd. Da sah 
Gottfried einen Pilger, der von einem grossen Bären verfolgt 
wurde. Gottfried zog schnell sein Schwert und ging auf den 
Bären los. Da verliess dieser den Pilger und wandte sich 
gegen den Herzog. Der Herzog holte aus, um ihm einen 
Hieb zu versetzen, aber er traf ihn nicht. Nun riss der 
Bär Gottfried zu Boden, und fast wäre es um das Leben 
des tapferen Helden geschehen, da sprengten einige Bitter 
herbei und machten dem Ungeheuer den Garaus. Gottfried 
aber war so schwach, dass er auf einer Tragbahre ins Lager 
getragen werden musste, und es bedurfte längerer Zeit, ehe 
er wiederhergestellt war. 
Ehe aber das Heer nach Jerusalem kam, musste es erst 
noch mehrere feindliche Städte erobern. Am meisten machte 
ihm Antiochien zu schaffen. Die Kreuzfahrer hatten diese 
Stadt schon eingenommen, da kam ein grosses türkisches 
Heer, viel stärker als das der Kreuzfahrer, und umschloss 
Antiochien so enge, dass bald eine Hungersnot in der Stadt 
ausbrach. Als nun die Not am grössten war, da verkündete 
der Priester Bartholomäus, der Apostel Andreas sei ihm im 
Traume erschienen und habe ihm den Ort gezeigt, wo die 
heilige Lanze, mit welcher der Heiland am Kreuze durch¬ 
bohrt sei, vergraben liege. Man grub nun nach, und richtig, 
man fand die alte Lanzenspitze. Das garlze Heer aber sang 
mit dankbarem Entzücken: „Herr Gott, dich loben wir!“ 
Die Lanze wurde nun in Purpur gewickelt und dem Heere 
vorangetragen. Dadurch wurden die Krieger so begeistert, 
dass sie den Feind vollständig besiegten und sein reiches 
Lager erbeuteten.
	        
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