Object: Geschichte des Mittelalters (Teil 2)

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Vierte Periode des Mittelalters, 
von Mainz, wohin er einen Reichstag ausgeschrieben hatte. Da 
es kalt war, so trat er bei einem Bäcker ein, um sich an dessen 
Ofen zu wärmen. Die Bäckerin schimpfte, in der Meinung, einen ge¬ 
wöhnlichen Reitersmann vor sich zu sehen, weidlich über den Bettel¬ 
kaiser, welcher mit seinen hungrigen Leuten den Bürgern zur Last 
falle, statt sie selbst zu füttern, und goß ihm im Zorne eine Kanne 
Wasser, womit sie die Kohlen zu löschen beabsichtigte, über den Kopf. 
Rudolf begab sich, ohne ein Wort zu verlieren, nach Haufe und 
schickte um die Mittagszeit einen Diener im prächtigsten Kleide zur 
Bäckerin, ließ ihr ein paar Schusseln mit feinen Speisen bringen 
und sie selbst vor sich laden. Die Frau erschrak, als sie vernahm, 
wen sie am Morgen begossen hatte, und glaubte ihr Todesurteil zu 
vernehmen, als sie die Vorladung erhielt. Weinend nahm sie Abschied 
von Mann und Hindern und erschien vor dem König, welcher noch 
mit vielen Fürsten bei Tafel saß. „Fürchtet Euch nicht", redete 
dieser die zitternde Frau an, „ich danke Euch, daß Ihr vom Herzen 
weg von mir gesprochen habt; aber eine kleine Strafe müßt Ihr be¬ 
kommen , nämlich die, daß -3hr meinen ©ästen Eure Strafrede noch 
einmal zum besten gebt!" Zum großen Ergötzen der Gesellschaft 
wiederholte die Bäckersfrau, was sie in ihrer Herzenseinfalt früh am 
Morgen gesagt hatte, und wurde dann ungekränkt entlassen. 
Rudolf war zweimal vermählt und hatte 3 Söhne und 6 Töchter. 
Die letzteren sah er alle wohl versorgt, dieweil sie ihm 6 Kronen 
ins Haus gebracht hatten (Schillers „Graf von Habsburg"). Allein 
seine Lieblingswünsche in bezug aus seine Söhne blieben unerfüllt. 
Der jüngere von ihnen, Rudolf, war mit Agnes von Böhmen ver¬ 
mählt, welche Mutter des Johann (Parricida) von Schwaben wurde, und 
starb, kaum 20 Jahre alt, in Prag. Hartmann ertrank im Rhein. 
Darum sollte Albrecht seinem Vater in der Regierung folgen. 
Rudolf berief 1291 eine Reichsversammlung nach Frankfurt, 
um Albrecht zu seinem Nachfolger ernennen zu lassen. Allein der 
Erzbischof von Mainz, dem Albrecht zu mächtig, streng und herrisch 
war, bewirkte einen ungünstigen Beschluß. Die Fürsten schlugen 
Rudolfs Begehren ab und erklärten ihm, das Reich sei zu arm, um 
ei Könige zu ernähren. Dies kränkte ihn auf das schmerzlichste. 
Mißmutig eilte er nach Straßburg, wo er alsbald zu kränkeln 
begann. Als ihn die Ärzte auf die bedenkliche Abnahme feiner 
Kräfte aufmerksam machten, behielt er feine Fassung und rief 
unerschrocken aus: „Auf denn nach Speier zu der Gruft meiner 
Ahnen!" Aber schon auf dem Wege dahin ereilte ihn in Ger-
	        
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