105
mit List und Gewalt vom Franzosenkönig Ludwig XIV. geraubt worden. Seit
1871 gehört dies schöne Land wieder zum Deutschen Reiche, darin auch die
alte freie Reichsstadt Straßburg mit ihrem herrlichen Münster.
Weiter nordwärts liegt am Rheine die Stadt Speher, der ehemalige
Begräbnißort der Könige von Deutschland, weiterhin Worms. Beide Sude
sind berühmt geworden in der Geschichte der deutschen Kirchentrennung.
Zwischen dem Schwarzwald und dem Odenwald kommt der schiffbare
Neckar aus Schwaben daher und vereinigt sich bei Mannheim mit dem
schon sehr hreiten und tiefen Rhein. Noch größer ist der Zufluß, welchen der
Main zuführt. Dieser kommt vom Fichtelgebirge her, schlängelt sich durch
das nördliche Baiern, geht bei Frankfurt vorbei und vermischt bei der Bundes—
festung Mainz sein gelbliches Wasser mit dem grünlichen des Rheins. Der—
selbe ist an dieser Stelle über 500 M. breit, sodaß man eine halbe Viertelstunde
gebraucht, um über die Schiffbrücke zu gehen. Sei Bingen dagegen wird er
schmäler; denn er muß sich zwischen gewaltigen Bergen hindurchdraͤngen, wo⸗
durch zwar einige strudelnde Stellen in seinent Beite hervorgebracht werden;
sie hemmen aber die Schiffahrt seit der Sprengung der Felsen nicht mehr.
Die steilen, unten mit Reben, oben mit Wald bewachsenen Üfer gewähren mit
ihren zahlreichen, freundlichen Oertern und alten Burgen einen schönen Anblick.
Hier erhebt sich auf einem Felsen die Schloßruine Stolzenfels, welche König
Friedrich Wilhelm IV. in mittelalterlicher Bauart wieder hat herrichten lafsem
Weiter nordwärts liegt am linken Ufer des Rheins Koblenz; ihm gegenüber
die Bergfestung Ehrenbreitstein. An dieser Stelle nimmt auf selnem
linken Ufer der Rhein die Mosel auf, welche von Frankreich her sich durch
ein enges, krummes, aber weinreiches Thal windet. Sie ist der lehte recht
schiffbare Zufluß des Rheins; denn die fast gegenüber einmündende Lahn, die
weiter unten mündende Ruhr und Lippe können keine großen Schiffe ragen.
Von der alten Stadt Köln ab, die durch ihren herrlichen Dom berühmt ist,
werden die Ufer des Rheins flach. Dies ist noch mehr der Fall, wenn er
weiter unten in das holländische Gebiet eintritt und sich dort in so viele Arme
theilt, daß man kaum ihre Namen behält, und daß derjenige, welchem der
Name Rhein bleibt, durch einen Kanal in das Meer geleitet werden mußte,
weil sich sein Wasser im Sande verlor. Der größte Ärm vereinigt sich mu
einem aus Frankreich und Belgien kommenden Flusse, der Maas, worauf sie
an Rotterdam vorbei ihr Wasser zusammen in die Nordsee ergießen.
Das Lob des Rheins ist schon in alten Zeiten verkündet worden, und
auch heut noch reden Lieder davon. An seinen Ufern hat sich viel Großes
und Herrliches ereignet. Da stehen noch die Burgen und die Dome als Zeugen
alten Heldenthums, hoher Kunst und inniger Frömmigkeit. Da bietet die
Natur Erzeugnisse aller Art dar in der Erde und auf ihrer Oberfläche. Hier
findet man Ruinen der Römer und der alten Deutschen; hier erbauten die
Ritter ihre Burgen, die Geistlichen ihre Klöster, da sie den Strom und seine
Nebenflüsse als begueme Straßen zum friedlichen und feindlichen Verkehr
benutzen konnten. Vom Rhein aus ward das Christenthum über Deutschland
verbreitet; am Rhein bildete sich im Mittelalter ein Bund der Städte, durch
welchen Kunst, Wissenschaft und Gewerbe gefördert wurden; vom Rhein ging
die Erfindung der Buchdruckerkunst aus