Full text: [Band 5, [Schülerband]] (Band 5, [Schülerband])

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Wie wildes, fruchtlos starres Biusenrohr 
Wächst so Geschlecht hier für Geschlecht empor. 
Weit, weit davon predigt die Sonnenpracht: 
Ich bin das Licht, das alle glücklich macht. 
Diese Armen zu dem Licht zu führen, das alle glücklich 
macht — dazu reicht unsere Kraft nicht aus. Aber ihnen eine 
Stätte zu erschließen, wo dann und wann ein paar Strahlen dieses 
Lichts sie treffen, ihnen in Kinderhorten und Jugendheimen 
ein Stück reine, ungetrübte Kinderfröhlichkeit zu verschaffen, 
das ist eine Aufgabe, cm die besonders die Frauen und jungen 
Mädchen der begüterten Kreise ihre Kraft setzen sollten. Nicht 
nur heute, nicht nur morgen, nicht mit dem hastigen Aufnehmen 
und Wiederabspringen, das gerade für unser Großstadtleben 
so bezeichnend ist, sondern mit der anhaltenden Treue, die hier 
allein etwas schaffen kann. Und nicht von oben herab, nicht mit 
dem Gefühl der Gönnerin, der Wohltäterin, sondern aus dem 
Bewußtsein heraus, daß hier nur ein kleiner, bescheidener Aus¬ 
gleich gegen soziale Mißstände versucht, daß hier nur eine Ver¬ 
pflichtung gelöst wird. Aus diesem Gefühl heraus wird erst 
das Sichmüheu um die einzelne Kinderseele möglich, der ernste 
Versuch, hier zu binden, dort zu befreien und dem kleinen Geist 
den inneren Halt zu geben, der ihn: so oft den äußeren ersetzen muß. 
Diese stille soziale Arbeit, die keine Zuschauer hat, keine 
Bewunderung erregt — sie stellt die Form dar, in der die jungen 
Mädchen unserer besser gestellten Kreise an ihrem Teil die Ver¬ 
pflichtung lösen können, die ihr eigenes behütetes Geschick ihnen 
auferlegt hat. Und auch andere Not erheischt unsere Hilfe. Unsre 
Zeit, die so viel getan hat, um die Menschen zusammenzubringen, 
zu vereinigen, sie hat auch wieder getrennt, hat Einsamkeiten 
geschaffen. In unseren Großstädten leben die verschiedenen 
Klassen ganz voneinander getrennt, in verschiedenen Stadt¬ 
vierteln. Keiner kümmert sich um den andern; der Schwache, 
der Hilflose ist auf sich selbst angewiesen; und oft genug erführt 
niemand von seiner Not. Das Wohltun von Haus zu Haus hat 
gegen früher abgenommen, aber an seine Stelle sind die großen 
Anstalten getreten: die Krankenhäuser, Blindenanstalten, die
	        
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