Full text: Für das vierte, fünfte und sechste Schuljahr (Teil 2, [Schülerband])

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forscher Lenz besaß als Knabe einen Star, welcher zwei Liedchen pfiff 
und das Wort „Spitzbube“ ganz deutlich aussprach. Drängte man 
ihn in eine Ecke und neckte ihn mit dem Finger, so wurde er ganz 
wütend, richtete sich auf den Zehen hoch empor, biß nach allen 
Seiten um sich, pfiff aus Leibeskräften und schrie immer dazwischen: 
„Spitzbube!“ 
Nichts fällt dem Star schwer. Nur vergißt er wie manches leb— 
hafte Kind leicht wieder, was er gelernt hat, so daß es auch da heißt: 
Wie gewonnen, so zerronnen! Soll der Star sprechen lernen, so setzt 
man ihn in einem verhängten Kasten in ein vollständig ruhiges Zimmer, 
wo er nur die Stimme seines Herrn hört, und spricht ihm deutlich 
vor. Er lernt schnell. Die Zunge zu lösen ist bei ihm ebenso wie 
bei dem Raben eine nutzlose Quälerei. 
Wie alle fröhlichen Leute liebt der Star die Gesellschaft. In 
Flügen von 300—500 Stück schwärmt er im Spätsommer über die 
Felder und Wiesen, schnurrend und wirbelnd, lärmend und schreiend. 
Das geht, wie von der Windsbraut selbst getrieben. Alles drängt um 
die Mitte, immer kreiset der eine um den andern, und so wälzen sie 
sich fort in Saus und Braus wie ein rollendes Rad. Plötzlich breitet 
sich die Wolke auseinander zu einer hohen fliegenden Wand, steigt dann 
jauchzend übereinander in eine einzige schwarze Linie und fällt dann 
endlich in vollem Schwung auf eine Weide nieder. Dort laufen sie 
den Schafen zwischen die Füße, setzen sich den Kühen auf den Rücken 
und ziehen den Tieren die dicken Maden, welche sich in ihrer Haut in 
eiternden Beulen angesiedelt haben, mit scharfer Zange aus der Haut. 
Sind die Unermüdlichen doch endlich des Schweifens müde geworden, 
so schwenken sie hinab zum Teich und stürzen lachend ins Schilf. Da 
hüpfen sie nun durcheinander, neigen und beugen sich, seufzen, pfeifen, 
singen, schwatzen; das schallt, wie wenn der Regen lustig auf die Blätter 
klatscht, und geht bis tief in die Nacht hinein. 
Die fünf Starmatze auf unserer Wiese sind satt, wie es scheint. 
Sie reinigen und glätten ihr Gefieder. Sie haben verschiedentlich mit 
ihren kleinen, klugen Äuglein zu uns herübergeguckt und fliegen, da 
wir uns jetzt bewegen, laut schnurrend zu ihren Gesellen in der Pappel— 
spitze. Beim Fressen haben sie nicht viel gesagt, nur dann und wann 
ein leiser Freudenpfiff, wenn ihnen eine besonders dicke Schnecke vor 
den Schnabel kam; wie alle Leute, die guten Appetit haben, lieben sie 
das Sprechen beim Essen nicht.
	        
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