Full text: Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten

Prosa. — Manifest. 
4. Oestreichs Manifest von 1805. 
(F. v. Schlegel.) 
Franz Il. von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kaiser, Erbkaiser von 
Oesterreich u. s. w. 
Der Kaiser von Frankreich zwang mich zum Kriege. 
Seinem Thatendurste, seiner Leidenschaft, in der Weltgeschichte den Namen 
eines Eroberers zu erringen, scheinen Frankreichs durch heilige Verträge be⸗ 
stimmte, so sehr schon erweiterte Grenzen noch immer zu enge. Alle Vande, 
an welchen Europa's Gleichgewicht hängt, wünscht er in seiner Hand zusammen 
zu fassen; die schöneren Früchte der erhöhten Cultur, jedes Gluück der Völker, 
welches aus dem Frieden und der Eintracht hervorgeht, alles, was ihm als 
Beherrscher eines großen civilisierten Volls ehrwürdig und theuer sein muß, 
soll durch Eroberungskriege zerstört und so der größere Theil Europa's ge— 
zwungen werden, Frankreichs Gesetzen und Winken zu huldigen. Was Frankreichs 
Laiser that, drohete und versprach, alles verkündigie diese Entwürfe. Er achtele 
kener Vorstellung, die ihn an die völkerrechtliche Beobachtung heiliger Verträge 
und an die ersten Pflichten gegen fremde unabhängige Staalen exinnerte. So 
die Vermittlung Rußlands, so jene Schrilte zurück, die ich, bestimmt 
durch meine Würde und mein Herz, zur Erhaltung der Ruhe und der Sicher 
heit neiner Staaten und zur Herbeiführung des allgemeinen Friedens that. 
Offen lagen seine Absichten da, und keine Wahl blieb übrig zwischen Krieg und 
wehrlose allmäliger Unterjochung. 
u solchen Umständen nahm ich die Hand an, die der Kaiser von Ruß— 
land, voll edles Gefühls für Gerechtigkeit und Unabhängigkeit, mir bot. Weit 
istrnt. den Thron des Kaisers von Frankreich anzutaften, erklärten wir, in 
sletem Hinble auf den Frieden, den wir so offen und so innig wünschten, im 
Angesicht Eutopa's: „in keinem Falle in Frankreichs innere Angelegenheiten 
Einfluß nehme;, noch die neue Gestalt, welche Deutschland nach dem Frieden 
von Luneville rhalten hatte, verletzen zu wollen.“ Friede und Unabhängigkeit 
war das einzige Ziel, nach welchem wir strebten; keine ehrgeizige Abficht, lein 
mir angedichteter Plan, Baiern hinwegzunehmen, mischte sich darein. 
Alein Frankichs Beherrscher, der die Ruhe verachtet, hörte nicht auf 
diese Stimmen. I sich selbst verschlossen, nur mit der Ausdehnung seiner 
Größe und seiner Äleinherrschaft beschäftigt, zog er seine ganze Madht zusammen, 
zwang Holland und lie Kurfürsten von Würtemberg und von Baden, mit ihm 
sich zu vereinigen, während sein geheimer Bundesgenosse, der Kurfürft von der 
Pfalz, unter seinem mi heilig gegebenen Worte, freiwillig an ihn sich anschloß 
verletzte auf eine beleidgende Weise die Neutralität des Königs von Preußen 
zu der gleichen Zeit, als x die heilige Beobachtung derselben wiederholt halte, 
und durch diese gewaltsame Maßregeln gelang es ihm, einen Theil jener Truppen, 
die ich an der Donau und der Iller aufgestellt hatte, zu umgehen, abzu⸗ 
schneiden und nach einem Widerstande voll Muths endlich zur Üebergabe zu 
zwingen. 
Eine Proclamation, emphrender, als irgend eine, welche diese Schreckens— 
zeit der französischen Regierung hervorgebracht hat, war bestimmt, die französi⸗ 
schen Heere zur höchsten Wuth begeistern. 
Mag Trunkenheit des Glücs oder ein unseliger oder ungerechter Geist 
der Rache den Feind beherrschen, ruhig und fest stehe ich im Kreise von 25 
Millionen Menschen, die meinem 53 und meinem Hause theuer sind. Ich 
10
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.