Full text: Norddeutsches Lesebuch

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Auf demselben Wege, den er gekommen, schlich er wieder zurück bis in 
sein Kämmerlein. Dort bereuete er von ganzem Herzen sein bisheriges Leben, 
bat Gott um Verzeihung und dankte ihm für den Schutz, den er ihm durch 
den Mund eines frommen Kindes hatte angedeihen lassen. 
Er ist darauf ein arbeitsamer und ordentlicher Mensch geworden. 
60. Linmal ist keinmal. 
Einmal ist keinmal. Dies ist das erlogenste und schlimmste 
unter allen Sprichwörtern, und wer es gemacht hat, der war ein schlech- 
ler Rgchenmeister oder ein boshafter. Dinmal iet wenigstens einmal, 
nd davon läßt sieh niehts abmarkten e 41 gestohlen hat, der 
kann sein Leben lang nimmer mit Wahrhbeit und mi hohen berncn 
sagen: „Gottlob! ich habe mich nie an fremdem Guto vergriffon; und 
wenn der Dieb erhascht und gehängt wird, alsdann ist einnad nient hoin 
mal. Aber das ist noch nicht ales, sondern man kan moeistens mit 
Wahrheit sagen: „Vinmal ist-zehnmal und under. und tau- 
sendmal.“ Denn wer das Böse einmal angefangen hbat, der setzt es 
gemeiniglich auch fort. Wer A gesagt hat, der sagt auch gemeiniglich 
gern B, und da tritt zuletzt ein anderes Sprichwort bin, dabe de Krug 
go lange zum Brunnen gebe, bis er bricht. 
61. Eine Ohrseige zur rechten Zeit. 
In einer Handelsstadt Norddeutschlands lebte ein Kaufmann, Namens 
Müller. Im begegnete oft ein junger, wohlgekleideter Mensch, der ihn 
immer sehr freundlich begrüßte. Herr Müller exwiderte den Gruß zwar gern, 
aber da er sich nicht erinnerte, den jungen Menschen je zuvor gesehen zu haben, 
so glaubte er, daß dieser ihn init einem andern verwechsele. Eines Tages nun 
war Herr Müller zu einem Freunde eingeladen, und als er zur bestimmten 
Zeit in dessen Hause eintraf, fand er denselben jungen Mann schon mit dem 
Hausherrn im Gespräch. Ber Wirth wollte nun seine beiden Freunde mit 
einander bekannt machen; aber der jüngere sagte: „Das ist nicht uöthig; wir 
kennen uns schon viele Jahre“ — Zch glaube, Sie sind im Irrthum,“ er⸗ 
widerte Herr Müller; „ich habe allerdings seit einiger Zeit manchen freundlichen 
Gruß von Ihnen bekommen, aber sonst sind Sie mir gam fremd.“ — „Und 
doch kenne ich Sie lange,“ antworlete der junge Mann, und ich freue mich, 
Ihnen heute herzlich danken zu können “ Wofür wollein Sle mr danken 
fragte Herr Müller — „Das ist allerdings ne alle Geschichte,“ versetzte jener; 
„aber wenn Sie mir einige Augenblicke zuhdren wollen, so werden Sie sich 
meiner doch vielleicht noch rinnern.“ 
„Eines Morgens ging ich in die Schule. Ich war damals 9 Jahre alt. 
Als ich über den Markiplaß kam, waren dort viele Wrbe voll der schönsten 
Aepfel zu sehen Ich hekam nur selten Obst und betrachtete daher recht lüstern 
die herrlichen großen Aepfel. Die Eigenthümerin sprach mit einer Nachbarin 
und hatte deshalb ihrer Waarxe den Ruͤcken zugekehrnn Da lam mir da 
danke, einen einzigen Apfel heimlich zu nehmen; ich dachte, die Frau behielte 
ja noch eine große Menge nach. Leise streckte ich meine Hand aus und won—
	        
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