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145. Zwei Räthsel.
L. Zum Hofe des Landmanns mußt du gehn,
wenn heiter und lustig du mich willst sehn.
Auf Häusern und Kirchen, hoch oben auf
Thürmen,
da thron' ich zuweilen und trotze den
Stürmen.
Hier mach' ich gefesselt in Lüften die Runde
und gebe willig dem Fragenden Kunde.
Es rinnt durch mich der labende Wein,
wenn müde du trittst in die Schenle ein.
Ja, wär' ich nicht dabei gewesen,
du hättest wohl kaum gelernt zu lesen.
2. Wer nennt mir die Häuslein so nett und
rein
mit dem Gewölbe von weißem Stein?
Sie entstehen von selber ohne Muh',
du weißt wohl wo, doch weißt nicht wie.
Gar friedlich in guter, warmer Hut
ein ganzes Dörfchen beisammen ruht.
Sie haben eine Besitzerin,
die wohnet aber nicht selber drin.
Jedoch die Bewohner — sie schlagen ent⸗
zwei
die Häuschen, und siehe! da sind sie frei.
146. Nie Einladung.
Ein frommer Landmann in der Kirche saß;
den Text der Pfarrer aus Johanne las
am Ostermontag, wie der Heiland rief
vom Ufer: „Kindlei, habt ihr nichts zu
essen?“
Das drang dem Landmann in die Seele tief,
daß er in stiller Wehmuth da gesessen.
Drauf betet er: „Mein liebster Jesu Christ!
so fragest du? O, wenn du hungrig bist,
so sei am nächsten Sonntag doch mein Gast
und halt' an meinem armen Tische Rast.
Ich bin ja wohl nur ein geringer Mann,
der nicht viel Gutes dir bereiten kann;
doch deine Huld, die dich zu Sündern trieb,
nimmt auch an meinem Tische wohl vorlieb.“
Er wandelt heim und spricht sein herzlich
Wort
an jedem Tag die ganze Woche fort.
Am Samstag-Morgen läßt's ihn nimmer
ruhn:
Frau,“ hebt er an, „nimm aus dein bestes
Huhn,
bereit' es lräftig, fege Flur und Haus,
stell' in die Stub' auch einen schönen Strauß;
denn wisse, daß du einen hohen Gast
auf morgen Mittag zu bewirthen hast.
Putz' unsre Kinderlein, mach alles rein;
der werthe Gast will wohl empfangen sein.“
Da springen alle Kinderlein heran
„O Vater, wer? wie heißt der liebe Mann?“
Die Mutter frägt: „Nun, Vater, sage mir,
gar einen Herren ludest du zu dir?“
Der Vater aber lächelt, sagt es nicht,
und Freude glänzt in seinem Angesicht.
Am Sountag ruft der Morgenglocken Hall;
zum lieben Gotteshause ziehn sie all',
und immer seufzt der Vater innerlich:
„O liebster Jesu, komm', besuche mich!
Du hast gehungert; ach, so möcht' ich gern
dich einmal speisen, meinen guten Herrn.“
Wie die Gemeinde drauf nach Hause geht,
die Mutter bald am Herde wieder steht
Das Huhn ist weich, die Suppe dick und fett;
sie deckt den Tisch, bereitet alles nett,
trägt auf und denkt beim zwölften Glocken⸗
schlag:
Wo doch der Gast so lange bleiben magl
Es schlägt auf eins; da wird's ihr endlich
bang:
„Sprich, lieber Mann, wo weilt dein Gast
so lang?
Die Suppe siedet ein, die Kinder stehn
so hungrig da, und noch ist nichts zu sehn
Wie heißet denn der Herr? Ich glaube fast,
daß du vergeblich ihn geladen hast.“
Der Vater aber winkt den Kinderlein.
„Seid nur getrost! er kommt nun bald
herein.
Drauf wendet er zum Himmel das Gesicht
und faltet zum Gebet die Hände spricht
„Her Jesu Christe, komm, sei unser Gast
und segne uns was du bescheret hast!