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beiden Kühe, und die Tochter schenkte ihm zwei Birnen, die sie für
den eigenen Durst zu sich gesteckt hatte. Mit einem herzlichen: „Ver⸗
gelt's Gott!“ schied er von den guten Menschen.
5. Da die Karten, mit denen Graf Zeppelin sich im Augenblicke
des Überfalls beschäftigt hatte, im Scheuerlenhofe liegen geblieben
waren, so mußte er sich mühsam einen Weg durch das rauhe, unweg⸗
same Waldgebirge suchen. In tiefer Nacht erreichte er Sulzbach und
wagte es, hier den Rest der Nacht zu verbringen. Am nächsten
Morgen mußte er eine weite Strecke auf einer von feindlichen Pa⸗
trouillen stark begangenen Straße reiten. Da kam ihm zustatten, daß
er ein Pferd mit französischer Aufzäumung ritt und daß damals die
Uniformen der verschiedenen feindlichen Truppenteile in der französi⸗
schen Armee selber noch nicht allgemein bekannt waren. Durch un⸗
befangene und zuversichtliche Haltung suchte er die Feinde möglichst
zu täuschen. Voll Dankes gegen Gott für seine Rettung betrat er bei
Schönau in der Rheinpfalz den deutschen Boden wieder. Er traf dort
auf bayrische Vorposten. Von hier hatte er noch beinahe acht Meilen
bis Karlsruͤhe zurückzulegen, wo er, zum Tode erschöpft, am Abend
des 26. Juli ankam und meldete, daß Mac Mahons Divisionen zwi—
schen Hagenau und Bitsch aufmarschiert waren. heodor Fontane.
206. Der Sieger von Wörth.
1. Die Schlacht war entschieden; die Franzosen räumten das Dorf
Fröschweiler, und die Deutschen folgten ihnen auf dem Fuße. Wäh—
rend das siegreiche Heer teils in geschlossenen Zügen vorüberflutete,
teils in aufgelösten Haufen das eroberte Dorf ausplünderte, erscholl
plötzlich von Wörth herauf ein unbeschreibliches Getöse. Es mußte
cieber etwas Neues, Außerordentliches im Anzuge sein. Die Sol⸗
daten sprangen, wie von elektrischem Feuer entzündet, zu allen Häusern
und Höofen heraus, stellten sich in Reih' und Glied und bildeten auf
heiden Seiten der Straße eine undurchdringliche Mauer. Ich stand
auf der Haustreppe. „Was ist denn?“ — „Der Kronprinz kommt!
der Kronprinz kommt!“ — Ich kann nicht sagen, wie diese Nachricht
meine Seele durchzuckte. Ich rief meinen Leuten zu: „Schnell heraus!
der Kronprinz von Preußen kommt!“ Und das Getöse dringt immer
näher, und das Triumphgeschrei wird immer größer. Jetzt sind sie
im Unterdorf; horch, wie sie jubeln! Gebt acht, jetzt biegen sie um
die brennende Kirche. Die Trommeln wirbeln, die Siegeslieder
brausen, eine ungeheure Begeisterung flammt durch die Reihen. Alle
Häupter sind entblößt, die Mützen fliegen hoch empor, und aus aller
Munde tönt ein tausendfaches, donnerndes Hurra! Hoch! Hurra!! Wir
stehen da wie verzaubert.
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