Full text: (Für das 4. und 5. Schuljahr) (Teil 2, [Schülerband])

307 
beiden Kühe, und die Tochter schenkte ihm zwei Birnen, die sie für 
den eigenen Durst zu sich gesteckt hatte. Mit einem herzlichen: „Ver⸗ 
gelt's Gott!“ schied er von den guten Menschen. 
5. Da die Karten, mit denen Graf Zeppelin sich im Augenblicke 
des Überfalls beschäftigt hatte, im Scheuerlenhofe liegen geblieben 
waren, so mußte er sich mühsam einen Weg durch das rauhe, unweg⸗ 
same Waldgebirge suchen. In tiefer Nacht erreichte er Sulzbach und 
wagte es, hier den Rest der Nacht zu verbringen. Am nächsten 
Morgen mußte er eine weite Strecke auf einer von feindlichen Pa⸗ 
trouillen stark begangenen Straße reiten. Da kam ihm zustatten, daß 
er ein Pferd mit französischer Aufzäumung ritt und daß damals die 
Uniformen der verschiedenen feindlichen Truppenteile in der französi⸗ 
schen Armee selber noch nicht allgemein bekannt waren. Durch un⸗ 
befangene und zuversichtliche Haltung suchte er die Feinde möglichst 
zu täuschen. Voll Dankes gegen Gott für seine Rettung betrat er bei 
Schönau in der Rheinpfalz den deutschen Boden wieder. Er traf dort 
auf bayrische Vorposten. Von hier hatte er noch beinahe acht Meilen 
bis Karlsruͤhe zurückzulegen, wo er, zum Tode erschöpft, am Abend 
des 26. Juli ankam und meldete, daß Mac Mahons Divisionen zwi— 
schen Hagenau und Bitsch aufmarschiert waren. heodor Fontane. 
206. Der Sieger von Wörth. 
1. Die Schlacht war entschieden; die Franzosen räumten das Dorf 
Fröschweiler, und die Deutschen folgten ihnen auf dem Fuße. Wäh— 
rend das siegreiche Heer teils in geschlossenen Zügen vorüberflutete, 
teils in aufgelösten Haufen das eroberte Dorf ausplünderte, erscholl 
plötzlich von Wörth herauf ein unbeschreibliches Getöse. Es mußte 
cieber etwas Neues, Außerordentliches im Anzuge sein. Die Sol⸗ 
daten sprangen, wie von elektrischem Feuer entzündet, zu allen Häusern 
und Höofen heraus, stellten sich in Reih' und Glied und bildeten auf 
heiden Seiten der Straße eine undurchdringliche Mauer. Ich stand 
auf der Haustreppe. „Was ist denn?“ — „Der Kronprinz kommt! 
der Kronprinz kommt!“ — Ich kann nicht sagen, wie diese Nachricht 
meine Seele durchzuckte. Ich rief meinen Leuten zu: „Schnell heraus! 
der Kronprinz von Preußen kommt!“ Und das Getöse dringt immer 
näher, und das Triumphgeschrei wird immer größer. Jetzt sind sie 
im Unterdorf; horch, wie sie jubeln! Gebt acht, jetzt biegen sie um 
die brennende Kirche. Die Trommeln wirbeln, die Siegeslieder 
brausen, eine ungeheure Begeisterung flammt durch die Reihen. Alle 
Häupter sind entblößt, die Mützen fliegen hoch empor, und aus aller 
Munde tönt ein tausendfaches, donnerndes Hurra! Hoch! Hurra!! Wir 
stehen da wie verzaubert. 
20*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.