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wo die Schwalbenerziehung in ihre Rechte tritt. Man muß ihnen
nämlich klar machen, daß sie von der zutraulichen Annäherung Vorteil
haben. Man muß die einzelnen mit dem Blicke verfolgen und, wenn
sie von weitem herangeschossen kommen, im richtigen Zeitpunkte das
Flöckchen loslassen, sodaß der Luftzug es ihnen entgegenträgt und sie
es sicher fassen können. Stilles Wetter, etwas Geduld und ruhige
Bewegung der Hände gehört dazu; dann merken die klügsten oder
eifrigsten unter ihnen in wenigen Tagen, was man will, und richten
sich danach. Schauen Sie her, es sind ihrer schon sechs bis acht, die
klug mit mir zusammen wirken. Sehen Sie die eine drüben an der
Hauswand; sie fliegt rasch etwa fünfzehn Schritt weit fort, macht
kehrt, schießt im Bogen heran, immer langsamer bis auf fünf oder
vier Fuß Abstand, ich lasse los“ — richtig, sie hatte ihr Teil, und
sofort waren zwei andere da, die dasselbe Manöver machten.
„Müssen Sie immer loslassen?“ fragte ich, „oder nehmen sie
auch direkt aus der Hand?“
„Das hängt von dem Winde ab. Die Tierchen kennen natürlich
aus der eigenen Erfahrung das, was für sie am zweckmäßigsten ist.
Wenn, wie heute, ein leichter Wind geht, so fliegen sie nicht leicht
anders als schießend, und dann fürchten sie sich vor der Annäherung
an jeden festen Gegenstand, weil sie in Gefahr wären, gegen denselben
anzurennen. Schauen Sie her; ich lege ein Watteflöckchen auf das
Gesimse des nächstunteren Stockwerks. In diesem Augenblick sind
vierzig kleine, runde, schwarze Augen begehrlich darauf gerichtet; aber
keine wagt sich heran, weil sie nicht gegen die Mauer fliegen wollen.
Jetzt faßt es der Wind; jetzt ist es ein bis anderthalb Fuß von der
Mauer entfernt — wstt, da kommen die schlanken Körper in schneidigem
Bogen herabgeschossen, und fort ist es. So verhalten sie sich auch
gegen die Hand des Menschen. Sie fürchten dieselbe, ich glaube nicht
als Teil eines Menschen, sondern als Hindernis. Nur bei völliger
Windstille verfahren sie auch anders; sie fliegen dann langsam herzu
und halten sich flatternd in der Luft, um das Gebotene bequem mit
dem Schnabel aufzunehmen. Dann setze ich eine Prämie auf die
Annäherung, indem ich nur denjenigen etwas verabreiche, die ganz
dicht herankommen, und so habe ich mir die kleinen Bettler heran—
gezogen, die Sie vorhin auf der Fensterstange sitzen sahen.“
„Sind denn die beiden Kleinen, die vorhin so zutraulich dasaßen,
zwei besondere Tierchen, oder tun das gelegentlich alle?“
„Nein, das sind zwei besondere, aus dem dritten Nest in der
Reihe drüben. Ich weiß nicht, ob es ein junges Ehepaar ist, das