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oben Wasser herab. Wir gehen zwischen den Schienen der schmal⸗
spurigen Bahn, die zur Hinausschaffung der Kohlen dient, und deren
Gleis fast die ganze Breite des Ganges einnimmt. Hören wir einen
Kohlenzug heranpoltern, so müssen wir eilen, eine Schienenkreuʒung
zu erreichen, um Platz zum Ausweichen zu haben. Ein Dutzend
schwer beladene Wagen, von einem einzigen Pferde gezogen, rattern
an uns vorüber, dann wieder tiefe Stille. Rückschauend hatten wir
noch eine Weile das Tageslicht wie einen fernen Stern leuchten sehen;
nun ist bei einer Wegbiegung der letzte Lichtschimmer verschwunden.
Alles ringsum dunkel und stille. Unsere Grubenlampen werfen nur
einen kleinen Lichtkreis — immer das gleiche Bild: der enge
schwarze Schacht, die Holzstützen an Decken und Wänden, oft von
faustgroßen, weißen Pilzwucherungen überzogen. Zuweilen tauchen
an einem Kreuzungspunkt Lichtpünktchen auf; mit einem kurzen
„Glückauf“ huschen schattenhafte Gestalten an uns vorüber. Immer
heißer und trockner wird die Cuft; wir schreiten vorwärts, schweigsam
wie die finstere Tiefe. Die Bilder meiner Phantasie habe ich mit
einem Ruck weggewischt; ich denke nichts mehr; denn das Denken ist
furchtbar in dieser schweigenden Nacht. Plötzlich weht ein schärferer
Cuftzug; unsere Grubenlampen gehen aus; aber wir brauchen sie
nicht mehr; denn vor uns flammt ein mächtiges Feuer auf. Hhaus⸗
hoch lohen die Gluten in einer gewaltigen Esse empor, und fort und
fort fällt ein goldener Funkenregen in die schwarze Tiefe. Wir sind
am Feuerschacht. Der Führer öffnet die Tür des Ofens, und wir
blicken in eine höllische Glut. Tag und Tag wird sie ununterbrochen
genährt; denn hier ist die lebendige Flamme die Wohltäterin, die
alle schlechte Cuft, alle gefährlichen Gase an sich reißt und durch
den Riesenschornstein emporwirbelt in die Lüfte.
Nun aber wollen wir die Bergleute bei der Arbeit sehen. Kleine,
dunkle Löcher öffnen sich hier und da in den Wänden; sie führen zu
den in Arbeit befindlichen Strecken. Wir kriechen durch ein solches
Coch und gelangen in einen etwa U, Meter breiten Weg. Er ist
so niedrig, daß wir uns tiefer und tiefer bücken müssen, bis unser
Kopf in Kniehöhe ist. So kriechen wir wohl 15 Minuten lang vor—
wärts. Dann erreichen wir ein kleines Viereck, in dem man bei—
nahe aufrecht stehen kann. Das ist die Arbeitsstätte. Ein Häuer
schlägt die zutage liegenden Kohlen von den Wänden los; zwei
Arbeiter bringen auf kleinen Karren die gewonnenen Kohlen zu Lager—
plätzen, von wo sie in die Förderbahn verladen werden. Die Hitze
hat sich hier bis zur Glut gesteigert; die Ceute tragen als einziges