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Da dankte ihm König Gunther. Nun gebot Siegfried seinen
Mannen, sich eiligst zu rüsten, und auch Hagen machte sich und
eine Schar Burgunden fertig zur Heerfahrt.
Zuvor aber ging Hhagen zu Kriemhild, wie um Abschied
zu nehmen. Da sprach die Königin: „Ich freue mich, daß ich
einen Mann habe, der meinen Freunden also helfen kann. Doch
habe ich Sorge um ihn, weil er gar zu tollkühn ist im Streit.“
Darauf sagte Hagen: „Liebe Herrin, ich will gerne Euren Ge—
mahl behüten. Aber man sagt ja, daß er unverwundbar ist
am ganzen Leibe.“ „Wohl ist er das,“ sprach die Königin, „seit
er sich in dem Drachenblut gebadet. Aber, Hagen, du bist mein
Verwandter und Freund, dir kann ich das Geheimnis anver—
trauen; — zwischen die Schultern fiel ihm beim Bade ein breites
Lindenblatt; drum ist er hier verwundbar, und leicht kann ihn
im Schauer der Speere ein Wurf dahin treffen. Darum, guter
Hhagen, behüte du meinen lieben Mann im Kampfessturm!“
Hhagen antwortete: „Ja, ich will immer ihm zur Hut reiten
und fechten. Aber, damit ich genau weiß, wo ich ihn behüten
muß, so näht mir doch ein kleines Zeichen auf sein Gewand.“
Kriemhild erwiderte: „Ich will mit feiner Seide heimlich ein
Kreuz auf sein Gewand nähen; da mußt du ihn schirmen in der
wilden Schlacht.“ „Ja,“ sprach Hagen, „das will ich gerne tun,
liebe Herrin. Lebt wohl!“ Und fröhlich ging er von dannen.
Am nächsten Morgen ritt Siegfried mit den Recken aus zum
Kampfe. Hagen ritt ganz nahe an ihn heran und spähte nach
dem Kreuz. Als er es gesehen, schickte er heimlich zwei seiner
Mannen voraus; die sollten dem Heere entgegenreiten, als seien
sie Boten Lüdegers an den König Gunther, und Frieden ver—
kündigen. Ungern ritt Siegfried wieder heim. Da sprach König
Gunther zu ihm: „Cohn' dir Gott deinen guten Willen; ich will
dir immer dankbar sein. Nun wir aber der Heerfahrt ledig
sind, wollen wir morgen mit unseren Gästen über den Rhein
fahren und im Odenwald jagen.“ Siegfried war gern zur Jagd
bereit. Diese Jagd aber hatte Hagen dem König geraten und
ihm auch gesagt, auf welche Art er dabei Siegfried verderben
wollte.
Alles ward zur Jagd gerüstet. Da ging Siegfried am
frühen Morgen zu Kriemhild, um ihr Lebewohl zu sagen. „Auf
fröhliches Wiedersehen!“ sagte er freundlich und küßte sie Da
fiel sie ihm weinend um den Hals und hat: „Ach, laß heute