Die Geschichte nach Christi Geburt. 119
Erste Geschichte der Deutschen.
Schon im vorigen Zeitraum habe ich Euch bey Gele¬
genheit der römischen Geschichte manches von den Deut¬
schen gesagt; jetzt, da die eigentliche Geschichte dieser
berühmten Nation anhebt, ist es Zeit, Euch mehr davon
zu erzählen. Wahrscheinlich seyd Jhr sehr begierig, dies
unser Muttervolk von seinem Entstehen an kennen zu lernen;
allein ich kann Eure Neugierde nicht ganz befriedigen,
weil wir vom Ursprünge unserer Nation, und also von
der Geschichte ihrer Kindheit und ihrer ersten Verfassung
gar nichts wissen. Die Ursache ist: unsere ersten Ahnen
konnten nicht schreiben, sie hatten also kein Mittel, ihre
Geschichte aufzuzeichncn; auch wohnten sie anfänglich in
ihren dichten Wäldern so sehr von allen übrigen Völkern
abgesondert, und lebten mit Nachbar - Nationen so ganz
ohne alle Gemeinschaft, daß niemand sie kannte, und daß
also auch kein römischer oder griechischer Schriftsteller uns
etwas von ihnen sagen konnte. Erft vor und zu den Zei¬
ten Cñsttts lernten die Römer sie etwas genau kennen,
weil hier große Haufen deutscher Völker es wagten, den
Bezwingern so vieler Nationen die Stirn zu bieten. Hie¬
durch erfuhren dre Römer mit Schrecken, daß ein kühnes,
tapferes Volk, die Deutschen genannt, in ihrer Nahe
wohne, und eben diese Furcht bewog sie, die Sitten, Ge¬
brauche und Gewohnheiten dieser tapferen Nachbaren und
den Zustand ihres Landes genau zu beobachten. Es gaben
sich daher auch einige römische Schriftsteller die Mühe,
Nachrichten von den Deutschen einzuziehn. Die vornehm¬
sten sind: Julius Cäsar; er hat, wie schon gesagt
worden, verschiedene Kriege mit unfern Stammvätern ge¬
führt, ist selbst in ihrem Lande gewesen und war folglich
Augenzeuge dessen, was er geschrieben hat; — der vor¬
hin genannte PllMUs stand als Officier bey einer römi¬
schen Armee, die gegen die Deutschen focht, und ist also
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