Full text: Norddeutsches Lesebuch

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148. Die Bauernmagd. 
Engel vom Himmel, so lieblich wie du, 
schweben ums Bettchen und lächeln dir zu. 
Später zwar steigen sie auch noch herab, 
aber sie trocknen nur Thränen dir ab. 
Jetzt noch, mein Söhnchen, ist goldene Zeit; 
später, ach später, ist's nimmer wie heut. 
Stellen erst Sorgen ums Lager sich her, 
Söhnchen, dann schläft sich's so ruhig nicht mehr. 
Schlaf', Herzenssöhnchen! und kommt gleich die Nacht, 
sitzt doch die Mutter am Bettchen und wacht. 
Sei es so spät auch und sei es so früh: 
Mutterlieb', Kindlein, entschlummert doch nie. 
(Zimmer.) 
148. Die Bauernmagd. 
Auf dem Hofe eines Müllers hatte sich bei Nacht ein Hund von seiner 
Kette losgerisson. Von dem Lärm erwacht der Herr und ruft die Magd. 
Schnell springt diess aus dem Bette und eilt halbnackt hinaus, um den 
Hund wieder an dieé Ketteé zu legen. An der Thür springt er ihr wütend 
entgegen und beilst sie in den Arm und in den Fuls. Der Müller eilt auf 
ihr Geschrei mit seinen Leuten herbei. „Zurüok!“ ruft sis, „der Hund ist 
toll. Ieh bin nun schon gebissen. Darum lasst mich; ich will sehen, ob 
ich ihn wieder an die Kette bringe.“ Mit grosser Mühe und unter vielen 
Bisswunden gelang ihr das auch endlich. Der Müller erschoss sofort den 
Hund. Die Magd aber ging still und ohne Klagè in ihre Kammer. Alle 
Hilfe war vergeblich. Sie befahl sieb Gott und erwartete in Ergebung ihr 
Ende. (GCaspari.) 
149. Ein guter Herr. 
Mendelssohn-Bartholdy war ein großer Meister der Musik, der in 
unserm deutschen Vaterlande nimmer vergessen werden soll. Hoch angesehen und 
geehrt war er schon bei seinen Lebzeiten, wie er es verdiente. Denn er war 
auch ein edler Mann. 
Eine Reihe von Jahren, während er in Leipzig wohnte, hatte er einen 
braven Diener, Namens Krebs, aus Lichtenau bei Lauban in der Oberlausitz 
gebürtig, Sohn einer armen Witwe, die noch für vier andere Kinder zu sorgen 
hatte. Krebs war ein guter Mensch und seinem lieben Herrn treu ergeben; 
aber er war auch ein guter Sohn und Bruder, der seine Lieben daheim nicht 
vergaß, als es ihm gut ging, und die schweren Sorgen des treuen Mutter— 
herzens dadurch zu erleichtern suchte, daß er dem Mütterlein alle Monate zwei 
Thaler sandte von seinem ehrlich verdienten Lohne. Mehrere Jahre hindurch 
waren diese Kindesgaben der armen Mutter zugeflossen, und oft hatte sie die— 
selben mit Freudenthränen, mit Dank gegen Gott und mit dem Segensgebete 
für den lieben Sohn empfangen; da — lam ein Brief von Leipzig an, der 
von fremder Hand geschrieben war. Zitternd erbricht ihn die Mutter. Er war 
von Herrn Mendelssohns Hand und enthielt die traurige Nachricht, daß der 
Sohn gefährlich erkrankt sei und noch einmal sein Haupt an die treue Mutter— 
brust zu legen wünsche; sie möge doch eiligst kommen. Zugleich hatte der edle 
Mann zehn Thaler eingelegt, damit der Mangel an Geld die Reise nicht hindere.
	        
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