214. Zausmittel für die Todesgefahr.
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grüßt, wirft sein Pferd herum und sprengt von dannen. — „Und nun,
Jungen, aufgepaßt! Jetzt wird der Tanz beginnen“, ruft der Führer.
Einige Minuten banger Erwartung; dann dumpfes Geräusch, Waffengeklirr,
Kommandoruf. „Da sind fiel“ murmeln die Soldaten. „Ruhe, Ruhe!“
kommandiert der Führer. Es scheint, als wenn die Erde sich bewege. Unbe—
weglich steht das Viereck. Näher braust die Staubwolke, aus der hin und wieder
ein Kopf hervortaucht. Da ertönt aus der Mitte des Vierecks „Feuer!“ Eine
lange weiße Rauchwolke entfaltet sich; ein unbeschreibliches Geknall ertönt; dann
ein Geklapper, als wenn Eifen auf Eisen geschlagen wird. Die Rauchwolke ver⸗
zieht sich, und die Soldaten stehen ebenso ruͤhig wie vordem da, schon wieder
einen Schuß im Lauf. — Aus dem unheilvollen Staubdunkel ist ein namenloses
Geschrei erschallt, ein haarsträubendes Gewimmer, Pferdegewieher, verwirrte
Kommandoworte. Der Staub verzieht sich und ein furchtbares Schauspiel bietet
sich dar. Ein verworrener Knäuel von Menschen und Pferden windet sich am
Boden und verhindert die Hannoveraner vorzudringen. — Doch nur einige
Minuten dauert das Zögern; die blutigen Hemmnisse sind überwältigt, und vor—
wärts stürmt die tapfere Schar, in wenigen Sekunden noch hundert Schritt
näher; „Feuer!“ kommandiert wieder die rühige Stimme von vorhin. Und von
neuem wiederholt sich das Schauspiel; aber diesmal ist der Erfolg schrecklicher
als das erste Mal. Die beiben ersten Reihen der Hannoveraner liegen fast
ganz hingestreckt auf dem Boden, wie reifes Korn, das die Sense des Schnitters
abgeniäht. — Doch auch dies hält die Hannoverauer nicht auf. Vorwärts drin⸗
gen sie mit mutiger Todesverachtung. — Nur noch wenige Schritte trennen sie
von der Front des Vierecks. Schon schwingen die ersten ihre Säbel auf die
Preußen; da ertönt es zum drittenmal: „Feuer!“ Und ein Wall von Toten
schützt für wenige Augenblicke die Preußen gegen die Andringenden. Nur für
wenige Augenblicke; denn das erste Glied hat noch nicht wieder geladen, da sind
die trefflichen Reiter schon wieder vor der Front, und das Gefecht beginnt,
Bajonett gegen Säbel, während die hinteren Glieder ihre Kugeln in die Reihen
der Angreifenden senden. — Was nun geschah: wer kann es erzählen? Ge—
schwungene Säbel, blinkende Bajonette, Rauchwölkchen, denen stets ein Knall
und dann ein Todesschrei folgt. Da wird es ruhiger; nur hier und da hört
man noch einen vereinzelten Schuß. Rauch und Staub verziehen sich, und das
Viereck sleht noch immer aufrecht da auch ferner bereit, jeden Angriff abzuschlagen.
Der, welcher dies schreibt, hat den Oberstlieutenant des Barres, den
Helden von Langensalza, oft gesehen, und er liebt ihn, weil er ein milder und
gütiger Mann ist, ebenso freundlich gegen seine Soldaten im Frieden, wie
tapfer im Kriege. Des Barres mag keinem Tiere wehthun, geschweige denn
einem Menschen: woher bekam er denn diese eiserne Ruhe inmitten der furcht—
barsten Todesgefahr? Wahrscheinlich hat er das Hausmittel angewandt, von
welchem im folgenden Abschnitt erzählt werden soll. (Keck.)
214. Hausmittel für die Todesgefahr.
De Schiff Cornelia befand sich auf einer Reise im Weltmeer und war
bereits weit von der amerikanischen Küste entfernt, als ein heftiger Sturm
losbrach, der fünf Tage lang anhielt und das Schiff in eine solche Gefahr
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