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Reiz, wenn der Mensch nicht mit seinen kleinen Hüttenasylen ein Wahrzeichen hin¬
setzte, daß er ein Herr der Welt sei, auch der ungebundensten, auch der Welt, die
ihm all? Größe und allen Schrecken entgegenthürmt, über die sie zu verfügen hat,
wenn er da nicht seine Heerden austriebe, seines Herdes Rauch aufsteigen, seine
jubelnden Hirtengesänge am Felsen erschallen ließe. Da bringt die kletternde, meckernde,
buntscheckige Ziegenheerde Bewegung in die mit zähen Alpenrosenbüschen bedeckten
Gehänge; der auf der Weidenpfeife blasende Hirtenbube, die hellen Glocken, welche
die Rinder bis zu den Schneefeldern hintragen, die in kühnen Sätzen über die Weide
fliegenden Füllen, denen die glänzende, spiegelglatte Stute so klug und freundlich
nachsieht, selbst der ruhig wachtsitzende Schäferhund oder der kläffende Spitz, der
die immer offene Hüttenthüre bewacht, und die grunzende Familie der Ferkel, die
behaglich im Kothe des Stallreviers an der Sonne liegt, oder die spulende graue
Katze, die auch hier noch der dem Menschen ewig folgenden Hausmaus ihr ver¬
meintliches Eigenthumsrecht am Mitgenuß des kargen Brotes nachdrücklichst bestreitet
— alles ist da oben wieder ein heimisches, versöhnendes, belebendes Element, ein
Zeichen der sieghaften Cultur, die mit der Naturgröße nur streitet, um sie zu ver¬
edeln. Weißt du ja doch selber, Alpenwanderer, was für ein schwermüthig drückender
Ton im Herbst über diesen Felsenweiden liegt, wenn Menschen und Heerden, Pferd
und Hund, und Feuer und Brot und Salz ins Thal sich zurückgezogen, wenn du
an den verlassenen und verrammelten Hütten vorübersteigst und Alles immer ein¬
samer und einsamer wird, wie wenn der alte Geist des Gebirges den majestätischen
Mantel seines furchtbaren Ernstes über sein ganzes Revier hinschlüge. Kein befreundeter
Athemzug weht dich meilenweit an, kein heimischer Ton — nur das Krächzen des hung¬
rigen Raubvogels, das Pfeifen des schnell verschwindenden Murmelthiers mischt sich in
das Dröhnen der Gletscher und das eintönige Rauschen des kalten Eiswassers. Die
kahlgeweideten Gründe, in denen die kleinen Gruppen der giftigen Kräuter mit
frischen Graskränzen, welche das Vieh nicht berührte, sich auszeichnen, haben die
letzten anmuthigen Tinten des Idylls verloren; der schwarze Salamander und die
träge Alpenkröte nehmen wieder Besitz von den verschlammenden Tränkbetten der
Rinder, und die verspäteten Bergfalter schweben mit halbzerrissenen und abgebleichten
Flügeln durch das Revier, aus dem die beweglichen Unken in trostlosen Chören
die sommerlichen Jodelgesänge der Hirten wie spottend zu wiederholen scheinen.
v. Tschudi.
63. Lolläkers Klag6li8d.
1. Da droben auf jenem Berge
Da steh’ ich tausendmal,
An meinem Stabe gebogen,
Und schaue hinab in das Thal.
4. Und Regen und Sturm und Gewitter
Vergess’ ich unter dem Baum.
Die Thüre dort bleibet verschlossen;
Doch Alles ist leider ein Traum.
2. Dann folg’ ich der weidenden Heerde
Mein Hündchen bewahret mir sie ;
Ich bin herunter gekommen
Und weiss doch selber nicht wie.
5. Es stehet ein Regenbogen
Wohl über jenem Haus!
Sie aber ist weggezogen
Und weit in das Land hinaus.
3. Da stehet von schönen Blumen
Die ganze Wiese so voll;
Ich breche sie, ohne zu wissen
Wem ich sie geben soll.
6. Hinaus in das Land und weiter,
Vielleicht gar über die See.
Vorüber, ihr Schafe, vorüber!
Dem Schäfer ist gar so weh.
v. Goethe.