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2. Nur ein altes Mütterchen war in der Stadt zurückgeblieben. Sie
war krank und gebrechlich und konnte ihre Füße nicht mehr gebrauchen.
Aber da ihr Häuschen auf dem Deiche stand, konnte sie von ihrem Bett
aus aufs Eis hinaussehen und sich die Freude betrachten. Wie es nun
gegen den Abend kam, da gewahrte sie, indem sie so auf die See hinaus⸗
sah, im Westen ein kleines, weißes Wölkchen, das eben an dem fernen
Horizont aufstieg. Gleich befiel sie eine unendliche Angst. Sie war in
früheren Tagen mit ihrem Manne zur See gewesen und verstand sich wohl
auf Wind und Wetter. Sie rechnete nach: In einer kleinen Stunde wird
die Flut da sein, dann ein Sturm losbrechen, und alle sind verloren!
Da rief und jammerte sie so laut, als sie konnte; aber niemand war in
ihrem Hause, und die Nachbarn waren alle auf dem Eise. Niemand hörte
sie. Immer größer ward unterdes die Wolke und allmählich immer
schwärzer; noch einige Minuten, und die Flut mußte da sein, der Sturm
losbrechen.
3. Da rafft sie all ihr bißchen Kraft zusammen und kriecht auf Händen
und Füßen aus dem Bette zum Ofen. Glücklich findet sie noch einen
Brand, schleudert ihn ins Stroh ihres Bettes und eilt, so schnell sie
kann, hinaus, sich in Sicherheit zu bringen. Das Häuschen stand nun
bald in hellen Flammen, und wie der Feuerschein vom Eise aus gesehen
ward, stürzte alles in wilder Hast dem Strande zu. Schon sprang der
Wind auf und fegte den Staub auf dem Eise vor ihnen her. Der
Himmel ward dunkel. Das Eis fing an zu knarren und zu schwanken.
Der Wind wuchs zum Sturme, und als die letzten den Fuß aufs Land
setzten, brach die Decke, und die Flut wogte an den Strand. So rettete
die arme Frau die ganze Stadt und gab ihr Hab und Gut dahin zu
deren Heil und Rettung. arxl Müllenhoff. GSagen, Märchen und Lieder usw.)
w.
37. Der kleine Friedensbote.
1. Ein Gerber und ein Bäcker waren einmal Nachbarn, und die gelbe
und die weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber ein
Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe. Wenn der Bäcker
in seinem Obstgarten an Stelle eines ausgedienten Invaliden eines Rekruten
bedurfte, ging der Gerber in seine Baumschule und hob das schönste
Bäumchen aus, das er darin hatte, eine Pflaume oder einen Apfel oder
eine Birne oder eine Kirsche, je nachdem es auf einen fetten oder magern
Platz gestellt werden sollte. Zu Ostern, zu Martini und am Heiligen Abend