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traf dort auf bayrische Vorposten. Von hier hatte er noch beinahe
acht Meilen bis Karlsruhe zurückzulegen, wo er, zum Tode erschöpft,
am Abend des 26. Juli ankam und meldete, daß Mac Mahons Di—
visionen zwischen Hagenau und Bitsch aufmarschiert waren.
Theodor Fontane.
258. Der Sieger von Wörth.
1. Die Schlacht war entschieden; die Franzosen räumten das
Dorf Fröschweiler, und die Deutschen folgten ihnen auf dem Fuße.
Während das siegreiche Heer in geschlossenen Zügen vorüberflutete,
erscholl plötzlich von Wörth herauf ein unbeschreibliches Getöse. Es
mußte wieder etwas Neues, Außerordentliches im Anzuge sein. Die
Soldaten sprangen, wie von elektrischem Feuer entzündet, zu allen
Häusern und Höfen heraus, stellten sich in Reih und Glied und bildeten
auf beiden Seiten der Straße eine undurchdringliche Mauer. Ich
stand auf der Haustreppe. „Was ist denn?“ „Der Kronprinz kommt!
Der Kronprinz kommt!“ Ich kann nicht sagen, wie diese Nachricht
meine Seele durchzuckte. Ich rief meinen Leuten zu: „Schnell
heraus! Der Kronprinz von Preußen kommt!“ Und das Getöse
dringt immer näher, und das Triumphgeschrei wird immer größer.
Jetzt sind sie im Unterdorf. Horch, wie sie jubeln! Gebt acht, jetzt
biegen sie um die brennende Kirche. Die Trommeln wirbeln, die
Siegeslieder brausen; eine ungeheure Begeisterung flammt durch die
Reihen. Alle Häupter sind entblößt; die Mützen fliegen hoch empor,
und aus aller Munde tönt ein tausendfaches, donnerndes Hurra!
Hoch! Hurra! Wir stehen da wie verzaubert.
2. Wahrhaftig, da zieht er, umgeben von seinen Generalen, an
unsern Blicken vorüber. Wie sein Angesicht vor Freude strahlt, und
wie er so wohlwollend die jubelnden Scharen begrüßt! Kein Wunder,
sie haben ihr Blut vergossen, und ihr Hurrarufen läutet dem ge—
schlagenen Franzosenkaiser zu Grabe. Welch großartiges, majestätisches
Schauspiel! Was doch in diesem Augenblick sein fürstliches Herz
empfunden haben mag? Durch Flammen und Ruinen über die
blutige Walstatt! Ob durch die Siegesfreude auch eine Ahnung zieht
von dem tausendfachen Weh, das der Krieg über die Völker wälzt?
Und ob es ihm nicht lieber wäre, einst wie ein rechter Salomo
Deutschland im Frieden zu regieren, als mit Siegespalmen geschmückt
auf schäumendem Schlachtroß über blutgetränkte Gefilde zu ziehen?