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2. Vom Zollern bis zum Staufen sah ich die Schwabenalb
am Horizont verlaufen; der Mond beschien sie falb.
Aus Nachtgewölken ragte des Staufen kahles Haupt,
das edle, vielbeklagte, des Diadems beraubt.
3. Doch wie die Wolken wallten, wuchs langsam draus empor
von riesigen Gestalten ein geisterhafter Chor.
Die alten Schwabenkaiser, das edle Staufenblut,
die starken Eichenreiser, die tapfre Löwenbrut,
4. sie reckten ihre Glieder, sie standen hoch und stark,
als fühlte jeder wieder das alte Heldenmark.
Voran dem stolzen Trosse erhob sich feierlich
der alte Barbarosse, der RKaiser Priederich.
5. Er trug die Kaiserkrone, den Mantel und das Schwert,
womit er einst vom Throne des Reiches Macht gemehrt.
Dann drängten sich die Söõhne, die Enkel her um ihn,
zuletzt der bleiche, schöne, der Knabe Konradin,
6. ein jeder mit den Waffen, den Kronen, die er trug.
Auch sah ich Wunden klaffen bei manchem Mann im Zug.
Und ohne Steg und Brücken ging wolkenleis ihr Gang
den vielgezahnten Rücken der Schwabenalb entlang.
7. Die Nebelmäntel schleiften langhin am Bergessaum,
die Wolkenschuhe streiften der Wälder Wipfel kaum.
Und wo zur letzten Strecke sich das Gebirg verzweigt,
als Hüter an der Ecke die Zollernburg aufsteigt,
8. da schien der Zug zu halten; im letzten Mondenschein
zerflossen die Gestalten zum grauen Wolkenreihn.
Mir war's, die Fürsten legen am Berg die Kronen hin;
mir schien's, die Geister flögen wie segnend rings um ihn.
9. Und wie ich stand und lauschte, kühl streifte mir's das Haar,
ein Morgenwehen rauschte, auf stieg das junge Jahr.
Und allgemach im vollern, im klaren Tageslicht
erhob der Hohenzollern erwachend sein Gesicht.