Full text: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

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Alte Seit. 
Drauf sprach der Held: „Du Schuft,, was wagtest du? 
Daß du mich angefaßt, wie es auch sein mag, 
Für einen Narren hält dich, wer es hört. 
Zersprungen ist mein Olifant im Kern 
Gold und Kristalle liegen hier am Boden/' 
Da fühlt Roland, daß ihm die Sehkraft schwindet, 
Zusammen rafft er sich und stellt sich auf. 
Vergangen ist die Farbe seiner Wangen. 
Da ragt vor ihm ein brauner Fels empor; 
Zehn Schläge führt er drauf und dran in Grimm, 
Es knirscht der Stahl, doch kriegt er keine Scharte. 
Da sprach der Graf: „Hilf, heilige Maria! 
Ach, guter Durendal, zum Unheil war't ihr! 
Wenn ich verderbe, kann ich euch nicht wahren. 
So manchen Kampf schlug ich mit euch im Feld, 
Eroberte so viele weite Länder, 
Die Karl nun hält, der Fürst mit weißem Bart; 
Nie trug ein Mann euch, der vor andern flieht. 
Ein guter Ritter hat euch lang gehalten. 
Nie wird ein solcher sein im Frankenreiche." 
Roland schlug in den Felsen von Sardonix, 
Es knirscht der Stahl, doch kriegt er keine Scharte. 
Graf Roland hieb in einen dunklen Stein, 
Schlug ab davon, mehr als ich sagen kann; 
Es knirscht das Schwert, doch bricht es nicht in Splitter 
Und unverletzt erhebt er es gen Himmel. 
Als Roland sah, daß er's nicht brechen kann, 
Da klagt er bei sich selbst mit weicher Stimm: 
„O Durendal, wie bist du so schön und heilig! 
So viel Reliquien sind im goldnen Knauf, 
St. Peters Zahn und Blut von St. Basilius 
Und Haare meines Herrn Denis 
Und vom Gewand der heiligen Maria. 
Es ist nicht recht, daß Heiden dich besitzen. 
Im Dienst der Christen solltest du verbleiben, 
Nie trage dich ein Mann, der Feigheit übt. 
Viel große Länder nahm ich ein mit dir, 
Die Karl nun hält mit blütenweißem Bart. 
Gar stark und mächtig war davon der Kaiser."— 
Da fühlt Roland, daß ihn der Tod bewältigt, 
Vom Haupte steigt er nieder ihm zu Herzen, 
Und unter eine Fichte eilt er hin, 
Und vorwärts streckt er sich ins grüne Gras, 
Legt unter sich das Schwert und Olifant 
Und wendet nach dem Heidenblut das Haupt; 
Das that er darum, weil er will in Wahrheit, 
Daß Karl mit allem Frankenvolke sage: 
Der edle Graf starb als Eroberer. 
Er beichtet seine Sünden oft und viel, 
Für seine Schuld reicht er empor den Handschuh.
	        
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